Veranstaltung: | Jahresversammlung 18./19. Februar 2023 |
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Antragsteller*in: | Geschäftsleitung JUSO Schweiz (beschlossen am: 11.01.2023) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 07.03.2023, 12:05 |
Ersetzt: | A2: Wahlplattform JUSO Schweiz – Nationalratswahlen 2023 |
A2NEU: Wahlplattform JUSO Schweiz – Nationalratswahlen 2023
Antragstext
A: Für eine sozial gerechte Klimapolitik
Die Klimakrise ist die dringlichste Krise unserer Zeit. Die CO2-Emissionen
steigen weiter an, was zu immer häufigeren und stärkeren extremen
Wetterphänomenen, wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbränden und Hurrikanen,
führt. Was wir in den letzten Jahren schon an Katastrophen erlebt haben, wird
sich in Zukunft noch verstärken. Die Klimakrise bedroht unsere Existenz und die
Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten.
Der «globale Süden» wird mit voller Wucht von dieser Krise getroffen. Millionen
von Menschen müssen ihren Lebensort verlassen, der von der Klimakrise
unbewohnbar gemacht wird. Besonders betroffen sind die Gesellschaftsgruppen, die
bereits diskriminiert und unterdrückt sind: Frauen, armutsbetroffene Menschen,
rassifizierte Menschen, usw. Deshalb muss die Antwort auf die Krise
intersektional sein und die Kämpfe verbinden.
Der «globale Norden» profitiert von der Ausbeutung des «globalen Südens», sei es
durch die Nutzung der natürlichen Ressourcen oder der Ausbeutung der
Bevölkerung. Dies treibt gleichzeitig die Klimakrise weiter voran. Die Schweiz
profitiert reichlich von dieser Ungleichheit; der Schweizer Finanzplatz
investiert Milliarden in fossile Energien. Internationale Konzerne mit Sitz in
der Schweiz sind Teil der genannten Ausbeutung und sacken dabei Milliarden ein.
Dennoch warten wir immer noch auf eine wirksame Politik. Die Antwort der Schweiz
auf die Klimakrise beschränkte sich in den letzten Jahren auf blosse
Eigenverantwortung und Innovation. Die Ursache der Klimakrise liegt jedoch nicht
im Verhalten einzelner Personen, sondern im System. Im Kapitalismus kann es
keinen konsequenten Klimaschutz geben, denn der Profit wird immer an höchster
Stelle stehen.
Es braucht daher dringend eine andere Klimapolitik. Statt die arbeitende
Bevölkerung weiterhin mit Abgaben zu belasten, sollen die Profiteur*innen der
Klimakrise zur Kasse gebeten werden: die Superreichen. Die Massnahmen, die
finanziert werden, sollen auch sozial gerecht sein. So kann es nicht sein, dass
Leute ihren Job verlieren oder eine höhere Miete bezahlen müssen wegen
Klimamassnahmen. Wir wollen eine sozial gerechte Klimapolitik, die das Leben der
99% verbessert!
Um die schlimmsten Konsequenzen der Klimakrise noch abzuwenden und eine Chance
auf eine Zukunft zu haben, muss die Schweiz bis 2030 Netto 0 CO2-Emissionen
erreichen. Wir müssen also jetzt handeln! Wir brauchen dringend eine sozial
gerechte und konsequente Klimapolitik, für die 99%, für unsere Zukunft.
Forderung 1: Klimafreundliches Wohnen für alle – ermöglicht
durch eine Erbschaftsteuer für Superreiche
Die Überwindung der Klimakrise ist eine der grössten Herausforderungen für die
Menschheit. In nahezu allen Bereichen unseres Lebens sind Anpassungen
erforderlich. Fakt ist, dass dieser Prozess extrem zeit- und kostenaufwendig
sein wird. Bezahlen sollen die, welche mit der Zerstörung und Ausbeutung unseres
Planeten am meisten Profit gemacht haben. Das sind genau die Menschen, die mit
ihrem über Generationen angehäuften Vermögen die Klimakrise weiter vorantreiben.
Es ist nur fair, das Geld für den Schutz unseres Planeten dort zu holen. Mit
unserer «Initiative für eine Zukunft» setzen wir genau dies in die Tat um. In
Form einer Erbschaftsteuer ab einem Freibetrag von 50 Millionen Franken bitten
wir die etwa 2'000 Reichsten der Schweiz zur Kasse. Mit diesen Einnahmen sollen
die Gebäude in der Schweiz ökologisch umgebaut werden. Mit der Förderung des
Heizungsersatzs, Sanierungen von Altbauwohnungen, Solarpanels auf Dächern und
weiteren Massnahmen können die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors
drastisch gesenkt werden. Mit Zehntausenden Stipendien zur Ausbildung von
Monteur*innen, Elektriker*innen und weiteren Fachkräften wollen wir gleichzeitig
sicherstellen, dass das nötige Personal vorhanden ist. Mit der Finanzierung über
eine Erbschaftssteuer stellen wir sicher, dass die Energiewende nicht durch die
Mieter*innen bezahlt werden muss. Als Ziel gilt für uns: klimafreundliches
Wohnen für alle!
Forderung 2: Nachhaltiger Finanzplatz unter demokratischer
Kontrolle
Der Schweizer Finanzplatz ist einer der bedeutendsten der Welt. Jährlich werden
durch diesen Milliarden in fossile Energien gesteckt. Somit wird die Klimakrise
weiter angefeuert. Banken und Pensionskassen machen Profit auf Kosten unserer
Zukunft! Es braucht einen Umbau des Finanzsystems, sodass nicht der Reichtum von
Grosskonzernen und Superreichen, sondern das Wohlergehen und die Zukunft aller
im Zentrum steht. Solange der Finanzplatz jedoch von privaten Investor*innen
gesteuert wird, kann er nicht im Interesse der breiten Bevölkerung agieren. Eine
grundlegende Demokratisierung des Finanzplatzes ist deshalb eine Voraussetzung,
damit er klimafreundlich werden kann. Wir fordern, dass die Bevölkerung
gemeinsam mit den Beschäftigten über die Strategie der Finanzinstitute
entscheiden kann. Dazu soll ein neuer, von der Bevölkerung und den Beschäftigten
gewählter und repräsentativer «Demokratischer Bankrat» die strategische
Ausrichtung der Finanzinstitute in der Schweiz definieren können. Mit dem
heutigen Finanzsystem gibt es keinen konsequenten Klimaschutz – dafür braucht es
mehr Demokratie!
Forderung 3: Für einen ökosozialen Umbau der Wirtschaft
Unser Wirtschaftssystem basiert auf unendlichem Wachstum und Profitmaximierung,
und zwar um jeden Preis. Das Märchen vom ewigen Wachstum wird auf Kosten von
Mensch und Natur aufrecht erhalten. Arbeiter*innen werden ausgebeutet und die
Natur zerstört, um den grösstmöglichen Gewinn für ein paar wenige zu generieren.
In diesem System kann es keinen effektiven Klimaschutz oder globale
Gerechtigkeit geben. Es braucht einen radikalen, allumfänglichen Systemwechsel
hin zu einer demokratisch organisierten, ökologischen Planung der Wirtschaft.
Der einzige Weg zur Überwindung der Klimakrise ist ein ökosozialistischer
Wandel.
Im nationalen Parlament werden wir zwar keinen Systemwandel erreichen können.
Wir werden aber Forderungen stellen können, die der zerstörerischen Logik der
kurzfristigen Profitmaximierung entgegenwirken. So werden wir für eine
Mindestgarantie von zehn Jahren für alle langlebigen und mehr oder weniger
langlebigen Produkten (Kleidung, elektronische Geräte usw.) kämpfen. So können
und dürfen Unternehmen nicht mehr auf qualitativ schlechte Materialien
zurückgreifen, irreparable Güter herstellen oder auf gewollten Verschleiss
setzen, um den Gewinn zu maximieren. Eine weitere Forderung, ist die
Verstaatlichung großer Unternehmen und ihre Unterstellung unter demokratischer
Kontrolle, um eine klimafreundliche und sozial gerechte Produktion zu
gewährleisten.
Für weitere Informationen:
Unterthema 1: Weniger und besser arbeiten – und das
klimafreundlich!
Damit eine umweltfreundliche Gesellschaft entstehen kann, muss die
Gesamtwirtschaft grundlegend umstrukturiert werden. Umweltschädliche
Wirtschaftszweige müssen so umgestaltet werden, dass sie umweltfreundlicher
werden. Sektoren, in denen diese Umgestaltung nicht möglich ist, wie
beispielweise jene der fossilen Energien, der Auto- oder Flugbranche, müssen
teilweise oder ganz eingestellt werden. Die Änderungen in diesen Sektoren dürfen
aber nicht auf Kosten der Arbeiter*innen geschehen. Aus diesem Grund braucht es
gross angelegte Umschulungsprogramme. Diese müssen die nötigen Weiterbildungen,
aber auch ein gesichertes Einkommen für jene ermöglichen, die keine neue Stelle
finden sollten. Damit die Klimakrise bewältigt werden kann, muss der Staat
zahlreiche ökologische Arbeitsplätze schaffen, beispielsweise im Bereich der
erneuerbaren Energien oder in der ökologischen Gebäudesanierung. Nicht zuletzt
muss die Arbeitszeit radikal verkürzt werden, um die Überproduktion und zu hohe
CO2-Emissionen, durch die Produktion zu verhindern. Die Arbeitszeitverkürzung
würde auch zu einer besseren Verteilung der Arbeit führen und die
Arbeitslosigkeit bekämpfen. Bei Einkommen unter 7’500 CHF darf dies aber unter
keinen Umständen zu einer Lohnsenkung führen.
Weiterführender Link: Arbeiten, um zu leben, und nicht leben, um zu arbeiten
Unterthema 2: Für guten und ökologischen öffentlichen
Verkehr!
Der Verkehrssektor ist einer der umweltschädlichsten Sektoren in der Schweiz. Er
ist für knapp einen Drittel der inländischen CO2-Emissionen verantwortlich. Es
ist daher dringend notwendig, sich vom motorisierten Individualverkehr und den
Verbrennungsmotoren abzuwenden. Dies darf jedoch nicht zu zusätzlichen Kosten
für die Bevölkerung führen oder zur Isolation der Menschen in den ländlichen
Regionen beitragen, die teils auf diesen Transport angewiesen sind. Kurzfristig
fordern wir ein Verbot des Baus neuer Autobahnen sowie ein Verbot des unnötigen
motorisierten Individualverkehrs in den Ballungszentren. Zusätzlich ist ein
massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes und eine Erhöhung der Frequenz
der Verbindungen notwendig. Der regionale öffentliche Verkehr sollte kostenlos
sein und der übrige öffentliche Verkehr muss bezahlbar sein, damit die Haushalte
nicht zusätzlich finanziell belastet werden und keine Verlagerung des Verkehrs
auf klimaschädliche Verkehrsträger stattfindet. Zusätzlich muss ein gutes Netz
von Nachtzügen für ganz Europa aufgebaut werden, um Kurz- und
Mittelstreckenflüge zu ersetzen zu können. Für den Langsamverkehr muss das
Radwegenetz massiv ausgebaut und die Stadtzentren zu
fussgänger*innenfreundlicher und grüner umgestaltet werden.
Unterthema 3: Ausstieg aus den fossilen Energien, jetzt!
Aufgrund der Klimakrise müssen wir dringend von fossilen Energien wegkommen. Um
das Schlimmste zu verhindern, muss dieser Schritt bis 2030 geschehen. Es braucht
also sofort einen Plan für einen umfassenden Ausbau der erneuerbaren Energien
und der Speicherkapazitäten. Dafür muss die Energieversorgung in erster Linie
eine Aufgabe der öffentlichen Hand sein: staatlich finanziert, geplant und unter
demokratischer Kontrolle! Der Markt ist aktuell nicht in der Lage, die rasch
notwendige Energiewende umzusetzen – schon gar nicht sozial gerecht. Um dies zu
gewährleisten, braucht es milliardenschwere öffentliche Investitionen. Wir
fordern auch progressive Energiepreise, die die benötigte Energie für die breite
Bevölkerung finanziell bezahlbar machen und den Luxuskonsum von Energie
verteuern. Nicht zuletzt müssen finanzielle Mittel für die Weiter-und Ausbildung
von vielen dafür benötigten Menschen in diesem Bereich bereitgestellt werden, z.
B. für die Installation von Solarpanels.
Für weitere Informationen: Energieknappheit: die 99% dürfen nicht unter den
Fehlern der Rechten leiden
Unterthema 4: Für eine lokale und ökologische
Lebensmittelproduktion
Die Landwirtschaft ist einer der grundlegendsten Bereiche jeder Gesellschaft, da
sie uns ermöglicht, das Grundbedürfnis der Ernährung zu befriedigen. Sie macht
heute 14% der inländischen CO2-Emissionen aus. Da jedoch ein grosser Teil der in
der Schweiz konsumierten Lebensmittel im Ausland produziert werden, sind die
ökologischen Auswirkungen des Nahrungsmittelkonsums in Wirklichkeit wesentlich
höher als die 14% im Inland. Angesichts der Klimakrise muss der gesamte
Agrarsektor auf eine ökologische Produktionsweise (Agrarökologie) umgestellt
werden. Dies erfordert, dass den Bäuerinnen und Bauern finanzielle Mittel zur
Verfügung gestellt werden, um diese Umstellung zu ermöglichen.
Diese Umstellung bedeutet die Schliessung von industriellen Grossbetrieben und
eine weniger intensive Landwirtschaft. Das bedeutet, dass man auf mehr
Arbeitskräfte auf dem Feld setzt, anstatt immer mehr Maschinen und Hilfsmittel
einzusetzen. Ausserdem erfordert es eine Reduktion der Viehhaltung und der
Fleischproduktion. Deshalb muss die Viehzucht dort ausgeschlossen werden, wo
stattdessen eine pflanzliche Nahrungsmittelproduktion möglich ist. Die
Lebensmittelproduktion muss ausserdem wieder vermehrt lokal ausgerichtet, kurze
Wege bevorzugt und die Ernährungssouveränität ins Zentrum gestellt werden.
Konkret bedeutet dies den Schutz der lokalen Lebensmittelproduktion, bessere
Arbeitsbedingungen und direkte Verbindungen zwischen Landwirt*innen und
Konsument*innen. Schlussendlich müssen Lebensmittelpreise für alle erschwinglich
sein, sodass jede*r Zugang zu lokalen, gesunden und biologisch produzierten
Lebensmittel hat.
Für weitere Informationen:
Unterthema 5: Für internationale Klimagerechtigkeit !
Die Menschen im «globalen Süden» sind bereits jetzt am stärksten von der
Klimakrise betroffen, Das wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken,
obwohl gerade diese Menschen am wenigsten für die Krise verantwortlich sind. Wir
fordern deshalb, dass die Schulden der Länder des «globalen Südens» gegenüber
der Schweiz erlassen werden. Heute müssen diese Länder nämlich riesige Schulden
und entsprechende Zinszahlungen bei den Ländern des «globalen Nordens»
begleichen,. Das hindert sie daran, genügend in den Kampf gegen die Klimakrise
und die Anpassung an sie zu investieren. Ein einfacher Schuldenerlass reicht
jedoch nicht aus: Die Schweiz und die Länder des «globalen Nordens» müssen den
Ländern des «globalen Südens» auch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung
stellen. In diesem Rahmen soll die Schweiz mindestens eine Milliarde Franken pro
Jahr an die Länder des «globalen Südens» zahlen. Schlussendlich muss die
Klimakrise auch als Asylgrund anerkannt werden, da sie ganze Regionen der Welt
unbewohnbar macht.
Für weitere Informationen:
B: Für eine Wirtschaft der 99%!
Alle Güter und Dienstleistungen, die wir heute produzieren, werden in einer
kapitalistischen Wirtschaft hergestellt: Du und ich arbeiten und schaffen damit
Wohlstand (Mehrwert), aber die "Werkzeuge", die wir benutzen und die
Unternehmen, in denen wir arbeiten, gehören uns nicht. Die erwirtschafteten
Gewinne fliessen also nicht in die Taschen der Arbeiter*innen, sondern in die
Taschen der Besitzer*innen der Unternehmen und Aktionär*innen. Diese versuchen,
ihre Gewinne immer weiter zu steigern, in dem sie mehr produzieren und die
Preise der Produkte gleichzeitig senken. Wie funktioniert das? Durch Ausbeutung
der natürlichen Ressourcen, der Länder des «globalen Südens» und der
Arbeiter*innen insgesamt. Das führte und führt zu enormen Ungleichheiten: In der
Schweiz besitzt das reichste Prozent 44% des Vermögens. Die Länder des «globalen
Nordens» beuten seit Beginn ihrer kapitalistisch motivierten Kolonialisierung
die Länder des «globalen Südens» schonungslos aus – und der Kolonialismus ist
auch im Zuge der «Dekolonisierung» nicht verschwunden: die wirtschaftlichen,
politischen und militärischen Abhängigkeitsverhältnisse kommen einfach in
anderem Gewand daher. Das Ziel bleibt gleich: Profite, immer mehr Profite für
die Ultrareichen.
Die planetaren Ressourcen sind jedoch endlich, auch wenn das Streben nach
Reichtum unendlich zu sein scheint. Die Klimakrise ist eine direkte Folge des
kapitalistischen Wirtschaftssystems, und die negativen Konsequenzen tragen immer
die 99%. Inflation, Wirtschaftskrisen oder die Klimakrise sind keine
"Fehltritte", sondern liegen in der Natur des Kapitalismus. Doch der Wandel hin
zu einem anderen System, das Menschen über Profite stellt, ist noch immer
möglich!
Es ist dringend nötig, die Art und Weise, wie wir uns organisieren, um unsere
Bedürfnisse zu decken, radikal zu verändern, auch weil unsere Zukunft durch die
Klimakrise bedroht ist. Wir wollen eine andere Wirtschaft, und zwar eine, die
auf den Bedürfnissen der Menschen und dem schonenden Umgang mit den planetaren
Ressourcen basiert! Wir wollen eine solidarische Wirtschaft, in der Care-Arbeit
gerecht verteilt ist. Wir wollen eine Wirtschaft, in der alle Menschen die
Freiheit haben, so zu arbeiten, wie sie es wollen und können. Wir wollen eine
Wirtschaft, die produziert, was gebraucht wird, nicht einfach immer mehr. Wir
wollen eine Wirtschaft, die ein schönes und erfülltes Leben für alle garantiert!
Forderung 1: Ausbildung ist kein Luxus: Berufslehren und
Praktika müssen angemessen entlohnt werden!
Egal, ob sich ein*e Jugendliche*r für eine Berufslehre oder eine
gymnasiale/universitäre Ausbildung entscheidet, jede*r möchte und soll nach
abgeschlossener Ausbildung einen Job finden, mit dem die Lebenskosten bezahlt
werden können. Doch der Weg zu einer Festanstellung ist für diejenigen, die
nicht das Privileg haben auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern zählen
können, steinig und prekär. Das muss sich ändern, denn (Aus)bildung ist kein
Luxus! Auszubildende erhalten Hungerlöhne, obwohl die Menschen in Ausbildung
wertvolle Arbeit für die Lehrbetriebe leisten. Es fehlt noch immer an effektiven
Kontrollen der Ausbildungsbedingungen.
Der Durchschnittslohn von Praktikant*innen nähert sich der 2'000-Frankengrenze,
dieser Einkommensbetrag liegt somit unter der Armutsgrenze und nicht selten wird
sogar verlangt, dass Praktika unbezahlt absolviert werden. Gleichzeitig wird von
jungen Menschen im Lauf ihrer Ausbildung zunehmend erwartet, dass solche
Praktikumsstellen angetreten werden, ohne Garantie auf Bezahlung.
Wir wollen endlich eine angemessene Bezahlung für Auszubildende und
Praktikant*innen und eine entsprechende Jobgarantie nach Abschluss ihrer
Ausbildung. Praktika und Berufslehren müssen endlich faire Arbeitsbedingungen
und angemessene Unterstützung erhalten, damit «Ausbildungen» ihrem Namen auch
gerecht werden.
Forderung 2: Geld arbeitet nicht, du schon! Kapitaleinkommen
muss höher besteuert werden.
Die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte hat es der reichsten Minderheit
der Bevölkerung ermöglicht, immer noch reicher zu werden. Steuermechanismen, die
der Staat bräuchte, um aktiv gegen die Vermögensungleichheit vorzugehen, wurden
weitgehend ausser Kraft gesetzt. Wir brauchen aber eine gerechte Steuerpolitik,
die den 99% zu Gute kommt und nicht den Ultrareichen und Grosskonzernen!
Um dies zu erreichen, wollen wir Kapitaleinkommen, wie beispielsweise Dividenden
und Aktiengewinne, stärker besteuern. Während die 99% der Bevölkerung mit ihrer
Arbeit den Wohlstand unserer Gesellschaft erwirtschaften, bereichern sich die
Arbeitgeber*innen und Aktionär*innen lediglich durch ihr Geld, das wir für sie
verdienen. Es ist höchste Zeit, dass diese ungerechtfertigten Einkommen
anderthalb Mal höher besteuert werden als Arbeitseinkommen - wie das die 99%-
Initiative vorgeschlagen hat.
Forderung 3: Für eine sozial gerechte, ökologische und
demokratische Planwirtschaft!
Heute leben wir in einem Wirtschaftssystem, das auf kurzfristigem Profit und
Wachstumszwang beruht. Dieses System funktioniert ausschliesslich im Interesse
einer kleinen und ultrareichen Minderheit der Bevölkerung. Diese Art zu
Wirtschaften führt gezwungenermassen zur Ausbeutung der Arbeiter*innen und
planetaren Ressourcen. Wir wollen dieses ungerechte und zerstörerische System
beenden und eine ökologische und demokratische Planwirtschaft für durch und für
die 99% aufbauen!
Wir können nicht länger tolerieren, dass übermächtige Konzerne darüber
entscheiden, was produziert wird, und unsere Gesellschaft mit einer unnötigen
Menge an umweltschädlichen und kurzlebigen Gütern überschwemmen. Wir wollen
gemeinsam auf allen Ebenen entscheiden, was und wie produziert wird, um die
Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung zu abzudecken und gleichzeitig die
planetaren Ressourcen zu schonen.
Unterthema 1: Bessere Arbeitsbedingungen für alle!
Im herrschenden kapitalistischen System wird unter Arbeit die Zeit verstanden,
die viele von uns als Lohnarbeiter*innen bei einer Firma (oder ähnlichem)
verbringen. Aber wir arbeiten eben nicht nur, wenn wir Geld verdienen:
Unbezahlte Care-Arbeit, also bsps. die Pflege von Angehörigen, die auch heute
noch zu 60% von Frauen erledigt wird, nimmt weit mehr Zeit in Anspruch als
Lohnarbeit. Deswegen soll die Arbeitszeit bei gleichem Lohn reduziert werden, um
der arbeitenden Bevölkerung eine höhere Lebensqualität zu gewährleisten, um die
Klimakrise zu bekämpfen und um unbezahlte Care-Arbeit gerechter aufzuteilen!
Eine Arbeitszeitreduktion würde auch eine bessere Verteilung der Gewinne
ermöglichen, die durch Produktivitätssteigerungen in den letzten Jahrzehnten
entstanden sind - Gewinne, die grösstenteils in die Taschen der Reichsten
fliessen und nie an die Menschen gelangen, die diese eigentlich erwirtschaftet
haben.
Care-Arbeit wird nicht nur systematisch unsichtbar gemacht und abgewertet, sie
ist auch extrem ungerecht verteilt. So lastet unbezahlte Care-Arbeit noch immer
auf den Schultern von Frauen, obwohl Care-Arbeit eigentlich in der Verantwortung
jeder Person liegt. Doch es fehlt heute nicht nur an Zeit, sondern auch an
gemeinschaftlichen Infrastrukturen, die uns ermöglichen würden, diese Aufgaben
zu teilen. Ob Kindertagesstätten in der Nachbar*innenschaft, Volksküchen oder
Quartierzentren - wir brauchen geeignete Gemeinschaftsräume, um die Care-Arbeit
besser zu verteilen!
Was Lohnarbeit anbelangt, haben viele Menschen Schwierigkeiten, mit ihrem
derzeitigen Gehalt über die Runden zu kommen. Miete, Aus- und Weiterbildungen,
Lebensmittel, Freizeit, Krankenversicherungsprämien, Stromrechnungen, Ferien…
Die Lebenshaltungskosten sind hoch, insbesondere für Menschen aus der
Arbeiter*innenklasse und aus marginalisierten Gruppen. Um diese Kosten zu
decken, muss die Mehrheit der Menschen arbeiten. Diese Arbeit ist wertvoll: Sie
ist die Grundlage für unser gesellschaftliches Zusammenleben und für die
allgemeine Wertschöpfung. Aus diesem Grund soll niemand in der Schweiz weniger
als 5’000 Franken pro Monat verdienen. So einfach ist das.
Die Corona-Pandemie hat die grundlegenden Probleme unseres profitorientierten
Gesundheitssystems schonungslos aufgedeckt: chronische Unterfinanzierungen und
der daraus resultierende Mangel an Pflegefachkräften. Die Pflegeinitiative muss
endlich und dringendst gerecht umgesetzt werden! Die Arbeitsbedingungen in den
Pflegefachberufen müssen grundlegend verbessert werden, damit (neu) ausgebildete
Personen die qualitativ hochwertige Pflege leisten können, die sie gerne würden.
Und da Stress am Arbeitsplatz leider oft die Norm darstellt, ist Freizeit zur
Erholung von grosser Notwendigkeit. Aus diesem Grund fordern wir sechs Wochen
Urlaub für alle Arbeitnehmenden. Eine höhere Anzahl an Ferienwochen hilft zudem
bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Unterthema 2: Eine Rückverteilung des Vermögens an die 99%!
Kinderarbeit, Rodungen des Regenwaldes, Wasservergiftung, lebensgefährliche
Arbeitsbedingungen in Minen: Multinationale Konzerne haben keine Skrupel, wenn
es um die Maximierung ihrer Profite geht. Durch die Ausbeutung der Länder des
«globalen Südens» verschaffen sich diese Konzerne Wettbewerbsvorteile durch das
kapitalistische System, durch das sie Milliarden von Franken erwirtschaften
können. Wir wollen, dass multinationale Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz
endlich für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Das Mindeste dabei ist
die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards! Die multinationalen
Konzerne sollen nicht länger straflos davonkommen!
Diese Konzerne scheren sich nicht um Menschenrechte im «globalen Süden» und auch
in der Schweiz versuchen diese Unternehmen ihre Produktionskosten immer weiter
zu minimieren. So werden die wenigen bereits existierenden kantonalen
Mindestlöhne von den Bürgerlichen angegriffen. Währenddessen grätscht die
Lohnschäre zwischen den niedrigsten und höchsten Löhnen in Schweizer Unternehmen
immer weiter auseinander. Um dies zu unterbinden sollen die Löhne der
Meistverdienenden in einem Unternehmen nicht mehr als fünf Mal höher sein, als
die niedrigsten Löhne.
Die öffentliche Hand betreibt währenddessen interkantonal und international
einen Steuerwettbewerb auf Kosten der 99%. Um multinationale Konzerne und
Ultrareiche anzuziehen, haben die Kantone unterschiedliche Methoden gefunden,
ihre Steuersätze möglichst tief anzusetzen. Resultierend daraus initieren diese
Kantone enorme Sparmassnahmen und Kürzungen bei den öffentlichen
Dienstleistungen. Es ist höchste Zeit, schweizweite Massnahmen zur
Steuerharmonisierung einzuführen! Auch der Finanzausgleich, also Solidaritätsakt
zwischen den Kantonen, muss zugunsten der ländlichen Gebieten gestärkt werden.
Unterthema 3: Für einen starken Sozialstaat!
Um Ungleichheiten zu bekämpfen, muss das Geld zuerst von den Reichsten
zurückgeholt werden und in einem zweiten Schritt in den Service Public, die
Sozialversicherungen und ins Rentensystem fliessen. Für eine starke Wirtschaft,
die Mensch und Umwelt dient, brauchen wir einen starken Sozialstaat und zwar in
allen Regionen. Ob Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit oder ÖV: Öffentliche
Dienstleistungen müssen direkt vom Staat erbracht werden, bezahlbar sein und
sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren.
Die Gesundheit unserer Gesellschaft ist in Gefahr, seit die Interessen der
privaten Krankenversicherungen vor die Gesundheit der Bevölkerung gestellt
werden. Steigende Prämien und Einsparungen auf dem Rücken von vulnerablen
Personen und des Gesundheitspersonals – alles wegen dem freien Wettbewerb: Dem
müssen wir ein Ende setzen und zwar mit der Einführung einer Einheitskasse! Auch
sollen die Gesamtkosten für die psychiatrische Versorgung, sexuelle Gesundheit
und Zahnpflege übernommen werden, und zwar ohne Franchise und Selbstbehalt.
Um auch den Ruhestand in Würde geniessen zu können, muss das Rentensystem nach
den Bedürfnissen der Menschen umgestaltet werden. Die interne Verwaltung von
Pensionskassen ist zwar oft formal demokratisch, in der Praxis jedoch nur
selten. Wir wollen eine öffentlich verwaltete Pensionskasse schaffen, die die
erste und zweite Säule zusammenführt, solidarisch finanziert ist und allen eine
Rente von mindestens 4'000 Franken pro Monat garantiert.
Unterthema 4: Bezahlbarer Wohnraum für alle!
Ein eigens Dach über dem Kopf sollte eigentlich allen gewährleistet sein.
Dennoch besitzen nur 40% der Menschen in der Schweiz eine eigene Wohnung. Die
restliche Bevölkerung befindet sich in in einem Mietverhältnis und ist damit
gezwungen, bis zu 35% des Einkommens für Wohnraum auszugeben. Übrigens: ein
grosser Teil der Mietzinseinnahmen der Hausbesitzer*innen ist illegal: Die
Mietzinse liegen im Schnitt 40% über der gesetzlichen Grenze für Mietrenditen.
Deshalb fordern wir die Einführung effektiver Kontrollen und ein Verbot der
Profitmaximierung mit unserem Wohnraum!
Darüber hinaus sind derzeit mindestens 2’200 Menschen in der Schweiz obdachlos.
Würdiges Wohnen darf kein Privileg sein, sondern ein Menschenrecht! Sozial- und
Notwohnungen müssen allen Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden, vor allem
in den Städten. Zwangsräumungen müssen verboten werden, und zusätzlich muss der
Bund muss in die Eingliederung von Menschen in Not in die Gesellschaft
investieren.
Angesichts der Klimakrise reicht es nicht aus, dass alle Menschen Zugang zu
bezahlbarem Wohnraum haben, dieser muss aber auch nachhaltig sein. Eine
nachhaltige Wohnung zeichnet sich durch einen schonenden Energieverbrauch und
einen einfachen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen aus.
Um das gewährleisten zu können, müssen Vermieter*innen Wohnungsrennovationen
garantieren und zwar ohne eine Kostenabwälzung auf Mieter*innen und
entsprechendem Schutz vor Leerkündigungen. Ausserdem soll der Staat beim Erwerb
von Wohneigentum für Wohnbaugenossenschaften Unterstützung bieten.
C: Für eine Welt ohne Flucht!
Migrationsmechanismen sind vielschichtig und komplex, ebenso die Ursachen. Eine
Analyse dieser zeigt aber gewisse Zusammenhänge.
Mit ihrem aggressiven Steuerdumping fördern die Schweiz und andere Länder des
«globalen Nordens» die Kapitalflucht. Um der systembedingten Armut zu entkommen,
sind in der Folge viele Menschen gezwungen, zu flüchten und dem Kapital dorthin
nachzuziehen, wo es sich aufgrund des kapitalistischen Wirtschaftssystems und
der damit verbundenen Kolonialisierung akkumuliert hat: im «globalen Norden» Die
Profitgier des reichsten 1% ist verantwortlich für die bewaffneten Konflikte auf
der ganzen Welt. Gekämpft wird oftmals um Territorien und Ressourcen, welche von
trans- und multinationalen Konzernen ausgebeutet werden. Im Kapitalismus werden
also nicht nur Menschen, sondern auch die Umwelt ausgebeutet und die Klimakrise
befeuert. Die Folgen der Umweltausbeutung berauben unzählige Menschen ihrer
Lebensgrundlagen, Migration bleibt oft die einzige Überlebenschance.
Die grundlegende Ursache der Fluchtmigration ist also die kapitalistische
Wirtschaftsordnung. Die Auswirkungen gehen jedoch noch weiter, der Kapitalismus
übt auch einen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung des Phänomens „Migration“
in der Gesellschaft aus. Wer zur Oberschicht gehört, geniesst das Privileg, sich
seinen Wohnsitz frei auswählen zu können und sich «Expat» zu nennen. Wer keine
finanziellen Mittel hat, ist gezwungen, sich Gefahren auszusetzen, um das eigene
Überleben zu sichern.
Migration wurde insbesondere im letzten Jahrzehnt zu einem Sicherheitsproblem
für Europa hochstilisiert. Dieser Rahmen legitimiert die Militarisierung der EU-
Aussengrenzen und Gewalt gegen flüchtende Menschen. Der Geburtsort ist
willkürlich bestimmt. Rechte, Lebensbedingungen und Chancen eines Menschen
werden aber in der heutigen Ordnung grundlegend von diesem Ort bestimmt. Grenzen
dienen dazu, Unterschiede zu schaffen und zu legitimieren und die Arbeiter*innen
zu teilen. Wir bekämpfen daher jegliche Formen von nationalen Grenzen.
In der Schweiz gibt es schwere Missstände im Umgang mit Migration. Rassistische
Angstkampagnen gehören zum Politalltag. Sicherheitsdienste und
Betreuungspersonal für Asylsuchende werden immer mehr durch private und
unqualifizierte Unternehmen gestellt. Es wird viel zu wenig Geld für
menschenwürdige Unterkünfte und Begleitung zur Verfügung gestellt. Darunter
leiden ausgerechnet die, die auf der Suche nach einem besseren Leben und einer
Zukunft zu uns gekommen sind. Nehmen wir endlich unsere gesellschaftliche
Verantwortung war und ermöglichen allen Menschen ein Leben in Würde!
Forderung 1: Stimm- und Wahlrecht für alle in der Schweiz
lebenden Personen
Demokratie ist ein grundlegendes Gut für eine freiheitliche Gesellschaft. Wie
wir uns für die demokratische Verwaltung aller Unternehmen durch die
Arbeiter*innen einsetzen, setzen wir uns auch für eine grundlegend demokratisch
organisierte Gesellschaft auf allen Ebenen ein.
In der Schweiz gibt es grosse Defizite, was die demokratische Beteiligung der
Bevölkerung anbelangt. Auch nach der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrecht
vor etwas mehr als 50 Jahren, ist heute ein relevanter Teil der Schweizer
Bevölkerung von der Demokratie ausgeschlossen. Mehr als ein Viertel der in der
Schweiz lebenden Personen hat keinen Schweizer Pass. Obwohl ein grosser Teil der
migrierten Bevölkerung seit Jahren oder sogar Generationen in der Schweiz lebt,
hier arbeitet und den selben gesellschaftlichen Pflichten nachkommt wie Menschen
mit Stimm- und Wahlrecht, werden sie von politischen Mitgestaltungsmöglichkeiten
ausgeschlossen. Über 2.2 Millionen Personen müssen also über sich und ihr Leben
entscheiden lassen, ohne mitreden zu können.
Für uns ist klar: Alle Menschen sollen dort, wo sie leben, auch mitbestimmen
dürfen. Einige Kantone und Gemeinden, vor allem in der Westschweiz gewähren
Niedergelassenen bereits das passive Stimm- und Wahlrecht. Wir fordern, dass
alle Menschen, die ihren Wohnsitz seit einem Jahr in der Schweiz haben,
unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus das Wahl- und Stimmrecht auf allen
staatspolitischen Ebenen erhalten. Wer in der Schweiz lebt, soll auch in der
Schweiz mitbestimmen können.
Forderung 2: Automatische Einbürgerung
Die Einbürgerungsquote bleibt in der Schweiz weiterhin tief. Dafür gibt es
verschiedene Gründe, wie die Pflicht, eine Staatsbürgerschaft (je nach Land) bei
einer Schweizer Einbürgerung abgeben zu müssen. Der Hauptfaktor ist ganz klar
der überaus teure, rassistische und somit unzugängliche Einbürgerungsprozess.
Die Bürgerlichen vergrössern die finanziellen und administrativen Hürden zur
Einbürgerung bereits seit Jahren. Selbst Nachfahren der dritten und vierten
Generation von Migrant*innen müssen ein aufwändiges Einbürgerungsverfahren
durchlaufen, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen. In vielen Gemeinden
entscheidet weiterhin die Gemeindeversammlung direkt über Einbürgerungen.
Wiederholt wurden Einbürgerungen aufgrund persönlicher Differenzen und
fremdenfeindlicher und rassistischer Vorurteile abgelehnt - ein unhaltbarer
Zustand. In allen Fällen muss ein Gesuch gestellt und bezahlt werden, welches an
hohe Anforderungen und ein grosses Mass an Einsicht ins Privatleben der
Antragsstellenden geknüpft ist. Dieser willkürliche Prozess ist demütigend und
stellt gerade für viele Lohnabhängige eine grosse Hürde dar.
Der Geburtsort kann nicht gewählt werden - diese Geburtslotterie entscheidet
über das Schicksal aller. Wer Glück hat kriegt die Schweizer Staatsbürgerschaft
zur Geburt geschenkt und hat Rechte, die anderen für immer verwehrt bleiben. Für
uns ist klar: Wer hier lebt und damit Teil unserer Gesellschaft ist, soll neben
den gleichen Pflichten auch die gleichen Rechte haben. Wir fordern deswegen,
dass niedergelassene Personen nach 5 Jahren automatisch in der Schweiz
eingebürgert werden. In der Schweiz geborene Kinder sollen ebenfalls automatisch
die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten. Es soll keine weiteren Anforderungen,
Prüfungen oder Tests als Hürde zu gleichen Rechten und Pflichten geben.
Forderung 3: Bessere Behandlung Asylsuchender
Für uns ist klar: Wenn die Aussicht auf eine sichere Zukunft vor Ort nicht mehr
gegeben ist und das bisherige Leben nicht mehr in physischer, psychischer und
materieller Sicherheit weitergeführt werden kann, ist eine Flucht an einen
sicheren Ort unumgänglich. Ob dabei ein Krieg oder eine Hungersnot herrscht, ob
politische Verfolgung, die wirtschaftliche Situation oder eine Naturkatastrophe
das Leben in der Heimat verunmöglicht soll keine Rolle spielen. Menschen müssen
wie Menschen behandelt werden.
Heute werden Asylsuchende schweizweit in Bunkern, abgelegenen
Militärunterkünften oder schlecht gepflegten Gebäuden untergebracht. Es fehlt an
Privatsphäre, Hygiene und Platz. Die Rechts-bürgerlich dominierten Politik
handelt zu tiefst menschenverachtend. In ihrem fremdenfeindlichen und
rassistischen Weltbild sprechen sie Migrant*innen basierend auf Herkunft oder
finanziellem Status, Menschenwürde zu oder ab. Sie möchten so wenig Geld wie
möglich ins Asylwesen investieren und die Betroffenen so stark wie möglich aus
der Öffentlichkeit fernhalten.
Die anhaltende Privatisierung macht dabei auch vor dem Asylwesen keinen Halt.
Die Betreuung wird vor allem als Sicherheitsaufgabe gelesen und private
Security-Unternehmen wie Securitas sind für die Führung der Unterkünfte
zuständig. Das Sicherheitspersonal ist nicht oder ungenügend auf den Umgang mit
traumatisierten Menschen geschult und erfüllt nicht die Rolle, die die
betroffenen Geflüchteten nötig hätten. Insbesondere FINTA-Personen werden im
Schweizer Asylwesen nicht angemessen geschützt. Gewalttätige Übergriffe gegen
Geflüchtete sind dabei keine Seltenheit, sondern haben System.
Wir fordern massive Mehrinvestitionen in das Schweizer Asylwesen zugunsten der
Geflüchteten. Der Staat muss den Betrieb der Asylunterkünfte und -zentren in die
eigene Hand nehmen und qualifiziertes Personal zur Unterstützung der
Geflüchteten bereitstellen. Die Unterkünfte müssen genügend Platz für ein
humanes Leben mit Tageslicht, Luft, Privatsphäre, Hygiene und
Ausweichmöglichkeiten bieten.
Unterthema 1: Fluchtursachen effektiv bekämpfen
Um Migrant*innen nicht in der Schweiz aufnehmen zu müssen, fordert Mitte-Rechts
gerne, dass “Hilfe vor Ort” geleistet werden müsse. Mit Lösungen von
Hilfswerkeinsätzen bis zu Geflüchteten-Lagern auf dem afrikanischen Kontinent
wollen sie verhindern, dass Menschen nach Europa flüchten und dabie ihre eigene
menschenfeindliche rechts-bürgerliche Politik legtimieren. Die systemischen
Ursachen für Migration, für welche der «globale Norden» verantwortlich ist,
sehen sie dabei nicht.
Damit die Reichen reich sein können, müssen die Armen systembedingt arm sein. Um
dieser Armut zu entkommen, sind viele gezwungen, dem Kapital dorthin
nachzuziehen, wo es sich aufgrund des kapitalistischen Systems akkumuliert hat.
Dazu kommen die imperialistischen Einflüsse des globalen Kapitalismus. Um das
für das System überlebenswichtige Wachstum zu ermöglichen, ist eine stetige
Erweiterung der Absatzmärkte nötig. Zur Durchsetzung dieser wirtschaftlichen
Interessen schrecken kapitalistische Grossmächte auch nicht vor bewaffneten
Konflikten zurück. Auch für nicht direkt involvierte Länder wie die Schweiz sind
solche Kriege lukrativ, da sie beispielsweise durch Waffenexporte davon
profitieren können.
Ausserdem ist das Wirtschaftswachstum direkt mit einem erhöhten Energiekonsum
und verstärkten Treibhausgas-Emissionen verbunden. Die Folgen der Klimakrise,
aber auch Überfischung und Land-Grabbing wird Millionen von Menschen die
Existenzgrundlage nehmen, sodass nur Migration als Ausweg aus dem Elend übrig
bleibt.
Wir fordern deshalb ein gerechtes und solidarisches internationales
Steuersystem, das den Steuerdumping-Wettbewerb und die Kapitalflucht beendet.
Konzerne müssen an die Leine genommen und für das Elend, welches sie verursachen
oder von dem sie profitieren, zur Verantwortung gezogen werden. Weiter fordern
wir einen sofortigen Stopp aller Kriegsmaterialexporte und ein Verbot der
Finanzierung dieser.
Unterthema 2: Hilfe statt Gewalt an den EU-Aussengrenzen
Illegale Pushbacks, also die gewaltsame Zurückweisung und das Zurückdrängen von
Schutz suchenden Menschen auf der Flucht, ohne ein effektives Verfahren oder
eine ernsthafte Prüfung der Schutzgründe, stehen bei der europäischen
Grenzschutzagentur Frontex an der Tagesordnung. Legitimiert werden diese
Handlungen durch rassistische Behauptungen, die v.a. flüchtende Männer als
«Sicherheitsproblem für Europa» darstellen lassen. Flüchtende werden an den
Grenzen gewaltsam zurückgeschickt oder auf dem offenen Meer ausgesetzt, wo sie
ihrem Schicksal überlassen werden. Die Konsequenz davon sind seit 1993
mindestens 44’000 Tote, wobei die genaue Zahl aufgrund der hohen Dunkelziffer
unbekannt ist. Frontex ist dabei das Sinnbild für die tödliche Festung Europa.
Wir fordern aus diesem Grund die sofortige Abschaffung von Frontex und
stattdessen eine angemessene Unterstützung der Flüchtenden in ihrer prekären
Lage.
Langfristig wollen wir eine Welt, in der niemand flüchten muss und Migration
freiwillig passieren kann. Rechte, Lebensbedingungen und Chancen werden in der
heute herrschenden Ordnung grundlegend vom zufälligen Geburtsort beeinflusst.
Grenzen dienen dazu, Unterschiede zu legitimieren und die Arbeiter*innenschaft
zu teilen. Aktuell wird durch nationalistische Diskurse von den wirklichen
Ursachen der Probleme abgelenkt. Dadurch, dass Sündenböcke hinter dem fiktiven
Vorhang der nationalen Grenzen platziert werden können, gelingt es dem vom
aktuellen System profitierenden reichsten 1%, eine grenzübergreifende
Organisation der Arbeiter*innen zu verunmöglichen. Kampf für Bewegungsfreiheit
und Klassenkampf sind daher unmittelbar mit der Überwindung der
nationalistischen Ideen verbunden. Für uns als Linke ist daher klar, dass
jegliche Formen von nationalen Grenzen und Gesetzen, welche diese erzwingen, zu
bekämpfen sind. Daher kann eine linke Utopie nur antinational sein.
Langfristig fordern wir deshalb die Abschaffung aller Grenzen und die
Überwindung des Konzeptes der Nationalstaaten.
Unterthema 3: Fluchtwege sichern
Für uns ist klar: Wenn die Aussicht auf eine sichere Zukunft vor Ort nicht mehr
gegeben ist und das bisherige Leben nicht mehr in physischer, psychischer und
materieller Sicherheit weitergeführt werden kann, ist eine Flucht an einen
sicheren Ort unumgänglich. Durch das Fehlen offizieller und legaler
Fluchtmöglichkeiten nach Europa, werden Menschen heute auf der Flucht in die
Kriminalität gezwungen und grossen Gefahren ausgesetzt. Besonders prekär ist die
Situation auf dem Mittelmeer. Die EU und die Mittelmeerstaaten haben
gleichzeitig unter dem oft widerlegten Argument, Seenotrettung sei ein Pull-
Faktor für Migration, staatliche Seenotrettung eingestellt. Die daraus
resultierende Anzahl an Todesfällen ist horrend hoch - allein im Jahr 2022 sind
laut offiziellen Angaben knapp 2000 Menschen auf und im Mittelmeer gestorben,
die Dunkelziffer bleibt dabei noch unbeachtet. Die zunehmende Kriminalisierung
der wenigen noch aktiven Seenotrettungs-NGOs droht die Situation noch weiter zu
verschärfen und weitere abertausende Menschen zum unverschuldeten Tod im
Mittelmeer zu verurteilen.
Wir fordern deswegen die komplette Legalisierung privater Seenotrettung und den
unmittelbaren Aufbau einer offiziellen staatlichen Seenotrettungsmission auf dem
Mittelmeer. Um Flucht sicher zu machen, fordern wir ausserdem die Einführung des
Botschaftsasyls für die Schweiz und alle EU-Staaten.
Unterthema 4: Unsoziale Aufnahmepraktiken beenden
Die Art des Aufenthaltsstatus macht gewaltige Unterschiede für das Wohlergehen
von Migrant*innen in der Schweiz. Es existieren im Moment acht verschiedene
Formen von Aufenthaltsbewilligungen für Menschen ohne Schweizer
Staatsbürgerschaft. Manche Aufenthaltsbewilligungen sind dabei besonders
kritisch zu beachten. Die unsoziale «Vorläufige Aufnahme» wird vor allem
Geflüchtete aus langjährigen Kriegs- und Krisengebieten erteilt, die eigentlich
abgewiesen werden würden, dies für die Schweiz aber unzulässig, unzumutbar oder
unmöglich ist. Diese Aufenthaltsbewilligung suggeriert eine nur kurzfristige
Aufnahme, was die Situation für Betroffene enorm erschwert, gerade bei der Suche
nach einer Arbeitsstelle oder Wohnung. Sie werden nicht als Geflüchtete
anerkannt und daher mit der ständigen Gefahr konfrontiert, ausgeschafft zu
werden.
Im Zuge des Ukraine-Krieges, bewies der Bund, dass es eigentlich auch anders
gehen würde. Ukrainer*innen erhalten in der Schweiz den Schutzstatus S. Mit
diesem erhalten die aus dem Kriegsgebiet Geflüchteten schnell ein vorläufiges
Aufenthaltsrecht mit Recht auf Familien-Nachzug, ohne dass sie ein ordentliches
Asylverfahren durchlaufen müssen. Dieses Verfahren wäre auch in anderen Kriegs-
und Krisenfällen möglich, wird aber nicht angewandt.
Da gerade Menschen aus Konfliktgebieten auf Schutz angewiesen sind, fordern wir
die Abschaffung der vorläufigen Aufnahme und die Aktivierung des Schutzstatuses
S für andere Krisen- und Kriegsgebiete.
Unterthema 5: Ausschaffungen stoppen
Die in der Schweiz praktizierten Zwangsausschaffungen sind menschenunwürdig.
Personen, die sich nach Schweizer Gesetz “illegal” in der Schweiz befinden,
können jederzeit ausgeschafft werden. Wiederholt sind dabei Menschen in der
Ausschaffungshaft oder nach ihrer Ausschaffung an den Fluchtort gestorben.
Nicht nur Ausschaffungfen an den Fluchtort sind dabei problematisch, sondern
insbesondere das Konzept der sogenannten “Sicheren Drittstaaten” setzt
Geflüchtete grossen Gefahren aus und toleriert systematische
Menschenrechtsverletzungen. Europäische Länder wie die Schweiz stufen eine Liste
von Staaten (alle EU-Länder und eine festgelegte Liste von Nicht-EU-
Ländern)pauschal als “Sicher” ein und schicken alle Asylsuchenden, welche aus
einem dieser “sicheren Drittstaaten” einreisen wollen, ohne Einleitung eines
Asylverfahrens dorthin zurück. Durch die pauschale und unsorgfältige Einstufung
von Staaten als “sicher”, setzt die Schweiz Asylsuchende grossen Risiken aus,
denn auch in demokratischen Ländern werden Menschenrechte verletzt. So wird zum
Beispiel in Griechenland keine Grundversorgung gewährt, es herrschen
menschenunwürdige Zustände in Asyl- und Haftzentren und der Zugang zum
Asylverfahren fehlt. Auch andere Länder wie Ungarn oder Bulgarien missachten
regelmässig die Menschenrechte Geflüchteter oder vernachlässigen ihren
Schutzauftrag und werden trotzdem als “sicher” eingestuft.
Die Praktik der pauschal als “sicher” eingestuften Drittstaaten muss sofort
beendet werden und wir fordern einen sofortigen generellen Ausschaffungsstopp.
Weitere Informationen zum Thema:
D: Für die feministische Wende!
Elementare feministische Forderungen sind eng verbunden mit diversen politischen
Sphären und müssen nicht bloss separat betrachtet, sondern in der politischen
Analysen intersektional mitgedacht werden. So beleuchtet etwa die feministische
Ökonomie nicht nur einzelne vernachlässigte Nebenschauplätze klassischer
Wirtschaftstheorien, sondern ermöglicht mit kritischen und feministischen
Perspektiven präzisere Analysen von gesamtgesellschaftlich relevanten
ökonomischen Fragen. Herrschende Macht- und Gesellschaftsstrukturen, wie der
Kapitalismus und das Patriarchat befeuern sich gegenseitig. Das kapitalistische
Wirtschaftssystem könnte ohne die unzähligen Stunden an unbezahlter Care-Arbeit,
welche zum grössten Teil von weiblich sozialisierten Personen verrichtet wird,
nicht funktionieren. Der Kapitalismus vermittelt mittels des Patriarchats, dass
Care-Arbeit wie die Betreuung von Kindern, die Pflege von Kranken oder das
Zubereiten von Mahlzeiten aus Liebe von FLINTA-Personen geleistet wird und
deshalb nicht oder nur schlecht bezahlt werden muss. Das Patriarchat wird
wiederum durch den Kapitalismus (z.B. durch Lohndiskriminierung oder
Geschlechterrollen, welche die geltenden Machtverhältnisse reproduzieren )
verstärkt. Genauso wie der Kapitalismus ist das Patriarchat ein System, das dem
Machterhalt einiger weniger auf Kosten der Vielen dient. Diskriminierung, Gewalt
und strukturelle Unterdrückung von FLINTA-Personen sind Ausdruck der
herrschenden patriarchalen und kapitalistischen Machtstrukturen.
Kapitalismus und Patriarchat müssen deshalb gemeinsam bekämpft werden. Ein
intersektionaler Feminismus fordert herrschende patriarchale Machtstrukturen
heraus, anerkennt die Existenz von diversen, miteinander verbundener
Diskriminierungsformen und bekämpft diese.
Unsere Forderungen zeigen feministische Perspektiven und Handlungsbedarf in
verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen auf. Mit den folgenden Forderungen
und Ausführungen erheben wir keinesfalls einen Anspruch auf Vollständigkeit,
sondern legen einen Fokus auf einige bestehende feministische Handlungsfelder
und skizzieren Lösungsansätze in diesen Bereichen. Weiterführende Analysen,
Positionen und Forderungen finden sich in den Positionspapieren und Resolutionen
der JUSO Schweiz.
Forderung 1: Abtreibungsrechte und körperliche
Selbstbestimmung sichern!
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist eine der zentralsten
feministischen Errungenschaften. Dazu gehören der Zugang zu ergebnisoffener
Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Schwangere und die garantierte Option
sicherer, selbstbestimmter Schwangerschaftsabbrüche.
In den vergangenen Jahren wurde dieses Recht allerdings verstärkt von
rechtskonservativen, fundamentalistischen Kreisen in Frage gestellt und
angegriffen. Sowohl im internationalen Raum als auch in der Schweiz gibt es
Bestrebungen, Abtreibungsrechte einzuschränken. Wir wehren uns konsequent gegen
solche Angriffe. Die JUSO Schweiz wehrt sich konsequent gegen solche Angriffe –
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar.
Heute sind Abtreibungen in der Schweiz im Strafgesetzbuch geregelt, gelten als
rechtswidrig und sind nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Für uns ist
klar: Selbstbestimmte Abtreibungen gehören nicht ins Strafgesetzbuch, sondern
als verfassungsmässiges Recht garantiert. Wir fordern die Verankerung des Rechts
auf körperliche Selbstbestimmung, insbesondere das Recht auf selbstbestimmte
Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesverfassung.
Weiter ist es zentral, dass der Zugang zu professioneller und neutraler Beratung
sowie Leistungen im Bereich der sexuellen Gesundheit sichergestellt und
ausgebaut wird. Dafür braucht es eine Erhöhung von finanziellen Mitteln an
Fachstellen für sexuelle Gesundheit und offizielle Kriterien für
Beratungsstellen, welche eine professionelle, ergebnisoffene Beratung und
Unterstützung garantieren.
Forderung 2: Höhere Renten und feministische Altersvorsorge
- Volkspension jetzt!
Das Rentensystem ist ein zentraler Teil unseres Sozialstaates und soll ein
würdevolles Leben im Alter garantieren. Doch diesem Ziel wird das aktuelle
System nicht gerecht.
Altersarmut ist für viele Menschen in der Schweiz eine bittere Realität. Davon
betroffen sind insbesondere Menschen, die im Niedriglohnsektor gearbeitet haben
oder in Teilzeitpensen Lohnarbeit geleistet haben. Frauen machen 2/3 der von von
Altersarmut betroffen Personen aus und sind damit überdurchschnittlich stark
betroffen. Das hat neben der Lohnungleichheit und unterbezahlten Frauenbranchen
primär damit zu tun, dass viele Frauen jahrelang unbezahlte Care-Arbeit
geleistet haben. Kindererziehen, Verwandte pflegen, Haushaltsarbeit – diese
Arbeit ist wertvoll und zentral für eine funktionierende Gesellschaft. Doch das
wird im aktuellen Rentensystem nicht annähernd genügend gewürdigt und das muss
sich ändern. Wir fordern eine Stärkung der AHV durch die finanzielle Anerkennung
unbezahlter Care Arbeit und die Abschaffung der 2. und 3. Säule, welche die
soziale Ungerechtigkeit fördert. Stattdessen soll eine Volkspension eingeführt
werden, welche auch unbezahlte Care-Arbeit würdigt und von welcher man im Alter
in Würde leben kann.
Forderung 3:Für eine 25-Stunden Woche!
Für einen Grossteil der Bevölkerung bleibt neben der Lohnarbeit kaum Zeit, um
diversen anderen Verpflichtungen nachzukommen. Klassische unbezahlte Care-
Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen, Putzen, Waschen beanspruchen viel Zeit und
gerade Betreuungs- und Erziehungsarbeit ist mit einem Vollzeitpensum kaum
vereinbar. Heutige Lohnarbeitsstrukturen, wie etwa die 42-Stundenwoche sind
nicht auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet, sondern darauf, dass in
einer traditionellen Kleinfamilie praktisch die gesamte Care-Arbeit unbezahlt
von der Frau erledigt wird und die Familie vom Lohn des Mannes lebt. Dieses
Konzept war und ist für Lohnabhängige ausbeuterisch und gesundheitsschädigend.
Schon früher war es für viele Familien nicht möglich, von einem Lohneinkommen zu
leben, mit den heutigen Reallöhnen ist das ebenfalls für die wenigsten eine
Option und ein Grossteil der Frauen geht ebenfalls einer Lohnarbeit nach. Doch
die anstehende Last an Care-Arbeit besteht noch immer- so verstärkt sich die
Doppelbelastung aus Lohn- und unbezahlter Care-Arbeit für viele Frauen. Jene,
die es sich leisten können , lagern einen Teil der Haushalts- und
Betreuungsarbeit aus – meist an andere, weniger privilegierte FLINTA-Personen.
Dieser Missstand ist besonders stossend, in Hinblick auf die Tatsache, dass die
Gesellschaft immer produktiver und effizienter ist. Dennoch nimmt die
Arbeitslast der arbeitenden Bevölkerung nicht ab. Dabei wäre es heute ohne
Probleme möglich, eine Wochenarbeitszeit von 25 Stunden Erwerbsarbeit
einzuführen. Dafür müssen aber die Produktivitätsgewinne zum Wohle der gesamten
Bevölkerung eingesetzt werden und die Menschen ins Zentrum der Wirtschaft
gestellt werden – nicht der Profit einiger Wenigen. Wir wollen eine
Gesellschaft, in der wir Zeit für unsere Liebsten, unser Engagement und uns
selbst haben und nicht nur für unsere Arbeitgeber*innen. Die 25-Stunden-Woche
bricht mit dem Maximierungszwang und gibt Care-Arbeit den Platz, Stellenwert und
die Zeit, die sie verdient. Sie ermöglicht es auch mehr Zeit für Care-Arbeit wie
Hausarbeit und Kinderbetreuung zu haben und diese gerechter zu verteilen.
Unterthema 1: Effektive Bekämpfung von sexualisierter Gewalt
und Diskriminierung!
Praktisch alle FLINTA-Personen erfahren in ihrem Leben Formen von sexualisierter
Gewalt. Dazu gehören unter anderem sexuelle Belästigung, geschlechtsspezifische
und häusliche Gewalt. Es handelt sich dabei um ein strukturelles Problem,
welches auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden muss. Neben Präventions- und
Bildungsarbeit braucht es auch einen massiven Ausbau von Schutz- Beratungs- und
Unterstützungsangeboten für Menschen aller Geschlechtsidentitäten. Das Angebot
an Schutzunterkünften für Personen, welche von häuslicher und patriarchaler
Gewalt betroffen sind muss stärker subventioniert und ausgebaut werden. Heute
müssen in Frauen- und Schlupfhäusern regelmässig Personen mangels Platz und
Ressourcen weggewiesen werden- das ist nicht haltbar und verstösst gegen die
Istanbul-Konvention. Wir fordern einen massiven Ausbau an Plätzen und Ressourcen
für Schlupfhäuser und Unterstützungsangebote für Betroffene von sexualisierter
Gewalt, um kostenfreie, kompetente und schnelle Hilfe zu ermöglichen. Diese
Schutzunterkünfte müssen für alle patriarchal unterdrückten Personen zugänglich
sein, für Frauen und insbesondere auch für TINA Personen (trans, inter,
nonbinäre und agender Personen). TINA Personen haben heute oftmals mangelhafte
Unterstützungsmöglichkeiten, welche sie in Anspruch nehmen können – Es muss
sichergestellt werden, dass sie fachkompetente Unterstützung erhalten.
Patriarchale Diskriminierungsformen äussern sich in verschiedenen
gesellschaftlichen Sphären, darunter auch im Erwerbsleben. Die Mehrheit der
Frauen in der Schweiz erlebt in ihrem Leben sexuelle Belästigung am
Arbeitsplatz. Trans Personen sind auch am Arbeitsplatz regelmässig
Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität ausgesetzt, vor
welchen sie das geltende Recht und gesellschaftliche Strukturen nicht
ausreichend schützen, da die Geschlechtsidentität nicht von der
Antidiskriminierungsnorm erfasst ist. Wir fordern Präventionsmassnahmen zur
Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und einen konsequenter
Diskriminierungsschutz, welcher FLINTA-Personen und insbesondere trans Personen
vor Diskriminierung und willkürlicher Kündigung am Arbeitsplatz schützt.
Unterthema 2: Zeitgemässe und inklusive Bildung
Bildung ist eines der effektivsten Mittel für Kinder sowie auch für Erwachsene,
sich zu selbstbestimmten, empathischen Menschen zu entwickeln. Sie leistet einen
wichtigen Teil präventiver Arbeit, um patriarchale Strukturen abzubauen. Um
diesem Anspruch gerecht zu werden, muss Bildung stetig an die Zeit und
Lebensrealitäten der Menschen angepasst werden. Wir fordern eine
diskriminierungsfreie und allumfassende Aufklärung zu sexueller Gesundheit.
Bildung darf nicht auf das binäre Geschlechtersystem ausgerichtet sein! Der
Aufklärungsunterricht soll die Realität der Geschlechtervielfalt aufzeigen.
Intergeschlechtlichkeit und trans Identitäten sollen vorurteilsfrei und offen
thematisiert werden. Auch soll in der Ausbildung medizinischen Fachpersonals der
Fokus auf Binarität aufgehoben werden und Sensibilisierung für
Intergeschlechtlichkeit und trans Identitäten stattfinden.
Konsens: Im Aufklärungsunterricht soll Schüler*innen bewusst gemacht werden,
dass jede Person das Recht hat seine*ihre eigenen Grenzen zu setzen und, dass
sexuelle Handlungen ausschliesslich unter Einwilligung aller beteiligten
stattfinden dürfen.
Prävention und Thematisierung sexualisierter Gewalt:Um sexualisierte Gewalt zu
bekämpfen ist es zentral, die Thematik auf eine sensible und offene Weise zu
behandeln. Bildung hat in diesem Bereich ein grosses Präventionspotential. Neben
dem Thematisieren von Konsens sollen Schüler*innen und Lernende auch proaktiv
über ihre Rechte aufgeklärt und die bestehenden Beratungsangebote informiert
werden. Diese Informationen und Unterstützungsangebote sollen auch
gesamtgesellschaftlich sichtbar und zugänglich gemacht werden.
Unterthema 3: Diskriminierungsschutz und medizinische
Selbstbestimmung
Patriarchale Diskriminierungsstrukturen bestehen auch in der Medizin. Dort zeigt
sich eine Form der Auslegung von Androzentrismus, einer Sichtweise, welche
Männer als Norm und Massstab sieht. Weiter ist auch ein patriarchales und
binäres Geschlechtersystem vorherrschend. Das führt unter anderem dazu, dass
trans Identitäten und Körper pathologisiert werden und ein Gender Data Gap
besteht, welcher dazu führt, dass etwa Krankheitssymptome oder Auswirkungen
gewisser Medikamente auf Frauen völlig unzureichend erforscht werden. Es braucht
eine Ausweitung der medizinischen Forschung im Bereich der Gendermedizin, um
diese Wissenslücken zu schliessen. Auch intergeschlechtliche Personen sind in
ihrer Selbstbestimmung stark gefährdet. Geschlechtsverändernde Operationen an
intergeschlechtlichen Babies werden heute noch unternommen, obwohl dafür in den
meisten Fällen keinerlei medizinische Notwendigkeit besteht. Diese Operationen,
welche im Säuglings- und Kleinkindalter nicht mit Einverständnis der Betroffenen
geschehen können, bringen oftmals schwerwiegende Folgen mit sich. Wir fordern
ein Verbot von geschlechtsverändernden Operationen an intergeschlechtlichen
Babies sowie fachpersonelle Beratung. Intergeschlechtliche Personen sollen auf
eigenen Wunsch hin Zugang zu medizinischen Behandlungen bekommen, welche von der
Krankenversicherung vollumfänglich zu übernehmen sind.
Unterthema 4: Lohngleichheit, nationaler Mindestlohn von
5000.- und verbesserte Arbeitsbedingungen!
Die Lohngleichheit ist zwar in der Verfassung verankert, aber dennoch zeigen die
Zahlen, dass wir in der Realität noch weit davon entfernt sind. FLINTA-Personen
verdienen bis heute fast ein Fünftel weniger und pro Erwerbsstunde
durchschnittlich 19.5% weniger als Männer. Ein Teil der Faktoren, die zur
Lohnungleichheit führen, werden als “erklärbare Faktoren” bezeichnet. Darunter
auch berufliche Stellung, Ausbildung und Branche. Doch auch die erklärbaren
Faktoren beruhen auf der historischen Benachteiligung und der ökonomischen
Diskriminierung von FLINTA-Personen. Zur historischen Benachteiligung gehört
unter anderem, dass Berufe, die traditionell gesehen vor allem von FLINTA-
Personen ausgeführt werden, schlechter bezahlt und gewerkschaftlich kaum
organisiert sind. Dies erschwert ein Vorgehen gegen die schlechten
Arbeitsbedingungen in diesen Berufen und Branchen enorm. Es braucht entsprechend
insbesondere in diesen Branchen, wie z.B. in der Pflege, Betreuung und
Gastronomie konkrete Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.
Gemäss Bundesamt für Statistik sind rund 2/3 der Arbeitnehmenden im
Tieflohnbereich Frauen.1 Wir fordern die Einführung eines nationalen
branchenübergreifenden Mindestlohnes von 5000 Franken. Weiter fordern wir
effektive Massnahmen zur Erreichung von Lohngleichheit, daruntersystematische
Lohnkontrollen, Lohntransparenz und Lohndiskriminierungskontrollen.
Unterthema 5: Gesellschaftliche Care-Strukturen ausbauen
Care-Arbeit ist Arbeit, die zentral für eine funktionierende Gesellschaft ist.
Neben einer Arbeitszeitsreduktion, welche es ermöglicht, mehr Zeit für das
Leisten von Care-Arbeit zu investieren, ist es auch notwendig,
gesamtgesellschaftliche Care-Strukturen auszubauen und zu stärken. Care-Arbeit
muss auch als Teil des Service Public gesehen werden – kostenlose
Kinderbetreuungsstrukturen sowie ein ausgebautes Gesundheitswesen entlasten auch
Personen, die im privaten Rahmen sehr viel unbezahlte Betreuungs- und
Pflegearbeit leisten. Auch Projekte wie generationenübergreifendes Wohnen können
dazu beitragen, dass Care-Strukturen und die zu leistende Arbeit kollektiver
organisiert und gerechter verteilt wird. Heute herrschen in Berufen im Care-
Sektor, z.B. in der Pflege oder Kinderbetreuung oft prekäre Arbeitsbedingungen.
Wir fordern, dass auch der Teil der Care-Arbeit, welcher im formellen
Arbeitssektor organisiert ist, wertgeschätzt und angemessen entlöhnt wird. Dafür
braucht es massive Investitionen in das Gesundheitswesen, Betreuungsstrukturen
und die Ausbildung von Fachkräften. Damit Care-Arbeit aufgewertet und sichtbar
gemacht wird, muss diese auch in unsere Wirtschaftsdarstellung und -forschung
aufgenommen werden. Wir fordern diesbezüglich Lehrstühle und Ressourcen an den
Hochschulen sowie die statistische Erfassung von bezahlter und unbezahlter Care-
Arbeit und deren Einbindung ins Bruttoinlandprodukt.
Für weitere Informationen: