Veranstaltung: | DV 24. Juni / AD du 24 juin |
---|---|
Antragsteller*in: | Geschäftsleitung JUSO Schweiz (beschlossen am: 20.05.2023) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.08.2023, 14:11 |
Ersetzt: | PDENEU83: Feministische Perspektiven für die 99 Prozent |
PDENEU84: Feministische Perspektiven für die 99 Prozent
Antragstext
Feministische Perspektiven für die 99 Prozent
Trotz einiger Erfolge in den letzten Jahrzehnten sind feministische Kämpfe
weiterhin grundlegend notwendig. Fortschritte in der Gleichstellung werden immer
wieder angegriffen. So werden etwa in den USA oder Polen körperliche
Selbstbestimmungsrechte immer stärker eingeschränkt und Abtreibungen
kriminalisiert. Es gibt regelrechte Hetzkampagnen gegen trans Menschen und
Gesetze, welche ihre Rechte, beispielsweise bei medizinischen Transitionen aktiv
einschränken. Auch in der Schweiz sind solche Entwicklungen zu beobachten. Es
wurden zwei Initiativen lanciert, die Abtreibungsrechte einschränken sollen und
mit der AHV21 wurde das Rentenalter der Personen mit weiblichem
Geschlechtseintag gegen deren Willen erhöht. Wer sich für gesellschaftliche
Emanzipation und somit beispielsweise auch für LGBTQIA*-Rechte einsetzt, wird
von der reaktionären Rechten als “woke” betitelt und als “wahnsinnig” oder
“männerfeindlich” abgetan. Ein revolutionärer Feminismus ist heute also
wichtiger denn je. Wir müssen Kämpfe verbinden, denn wir sind erst frei, wenn
alle frei sind. Die Mächtigsten unserer Gesellschaft wollen uns spalten und
entmachten - unsere Antwort darauf ist Solidarität und Zusammenhalt. Wir kämpfen
für eine gerechte Welt ohne jegliche Ausbeutungs- und Diskriminierungsstrukturen
und zwar zu unseren Lebzeiten!
Unsere Vorkämpfer*innen haben enorme Arbeit geleistet. Sie haben das
Frauenstimm- und wahlrecht, Abtreibungsrechte, viele weitere elementare
Selbstbestimmungsrechte und emanzipatorische Fortschritte erkämpft. Der Weg hin
zu einer egalitären Gesellschaft ist noch lang und die Fortschritte zaghaft.
Heute besteht in der Schweiz noch immer ein Gender Pay Gap von 18%,(1) jede
zweite Woche wird ein Femizid(2) verübt, der Grossteil der unbezahlten Care-
Arbeit wird von FLINTA-Personen verrichtet, Altersarmut ist weiblich und non-
binären Menschen wird die Existenz aberkannt, um nur einige Symptome der
vorherrschenden patriarchalen Strukturen zu nennen. Nach dem Höhepunkt der
COVID-Pandemie wurden Gleichstellungsfortschritte zusätzlich in vielen Bereichen
über den Haufen geworfen oder enorm verlangsamt.(3) Das alles werden wir nicht
hinnehmen, wir wurden schon lange genug vertröstet. Dieses Positionspapier soll
als Fundament unserer Vision für eine feministische Revolution dienen. Um diesen
Kampf angemessen führen zu können, müssen wir patriarchale Strukturen erkennen
und benennen. Dafür braucht es eine entsprechende Analyse. In diesem Papier
wagen wir einen Versuch einer solchen Auslegeordnung.[1] Diese ist jedoch
keinesfalls statisch, sondern wird sich mit der feministischen Bewegung
weiterentwickeln. Das Ziel ist uns bekannt, nun müssen wir den Weg dorthin
aufzeigen können.
Innerhalb der feministischen Linken darf es dafür aber nicht zum Ellbogenkampf
kommen. Wenn unsere Forderungen dieselben sind, sollten wir uns nicht an kleinen
Unterschieden zwischen der Art und Weise zu kämpfen scheiden. Unsere
unterschiedlichen Forderungen und Prioritäten sind legitim, denn wir haben ein
gemeinsames Ziel, nämlich das Patriarchat zu stürzen.
Die feministische Linke muss bestehende Gräben und Konflikte überwinden und die
gemeinsame Zusammenarbeit stärken. Angriffe von Aussen gibt es genügend und
dagegen standhalten können wir nur gemeinsam. Wir brauchen eine feministische
Offensive, dafür müssen wir aus der Defensive herauskommen.
2019 konnten wir am 14. Juni über 500’000 Menschen für feministische Anliegen
auf die Strasse mobilisieren. Vier Jahre später - und die Fortschritte halten
sich in Grenzen. Das Patriarchat unterdrückt uns schon lange genug, dieser
Zustand ist endlich, denn wir werden uns holen, was uns zusteht: Freiheit und
Gerechtigkeit.
Das Patriarchat gestern und heute
Wir kämpfen für die Überwindung des Patriarchats, doch was verstehen wir
überhaupt unter diesem Begriff? Diese Frage müssen wir uns notwendigerweise
stellen. Eine pauschale Definition zu finden scheint unmöglich und es wird
schnell klar, dass Theoretiker*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen
abhängig von Zeit und Ort jeweils etwas anderes unter diesem Begriff
verstehen.(4) Als linke Feminist*innen beziehen wir uns mehrheitlich auf
Definitionen der feministischen Theorie, welche versucht diesen Begriff
möglichst vollumfänglich und auf verschiedene Epochen und Orte anwendbar zu
definieren. Somit sollen möglichst viele Unterdrückungsformen in allen
Gesellschaften aufgezeigt werden können. Auf einer abstrakten Ebene würde das
laut der Soziologin Sylvia Walby heissen: “patriarchy is a system of social
structures and social practices in which men dominate, oppress and exploit
women”.(5) Weil das Patriarchat die Vorherrschaft einer heterosexuellen und cis-
männlichen Norm etabliert hat, werden alle Menschen unterdrückt, die dieser Norm
nicht entsprechen, nämlich lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queere, inter,
non-binäre und agender Personen.
Seit der Entstehung des Patriarchats gibt es auch Widerstand dagegen. Im Zuge
der Französischen Revolution standen die Ideale “Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit” im Zentrum. Jedoch sollten nur Männer vor dem Recht gleich sein,
was Feministinnen wie Olympe de Gouges öffentlich kritisierten.(7) Nicht selten
wird diese Zeit im europäischen Raum als Anfangspunkt von sichtbaren und
belegbaren feministischen Bestrebungen genannt. So auch bei der sogenannten
Wellentheorie, einem Modell, welches heute oft für die Veranschaulichung der
historischen Entwicklungen der feministischen Bewegung verwendet wird. Dabei
wird die feministische Bewegung in drei Wellen unterteilt. Diese Wellentheorie
bietet einen vereinfachten Überblick über Kämpfe und Errungenschaften der
feministischen Bewegung in Europa und Nordamerika seit dem 19. Jahrhundert.
Diese Theorie hat jedoch nur eine beschränkte Aussagekraft und legt den Fokus
auf Ereignisse rund um weisse privilegierte Feminist*innen im sogenannten
Globalen Norden und blendet Kämpfe von Feminist*innen aus dem sogenannten
Globalen Süden praktisch komplett aus.
In der ersten Welle kämpften Feminist*innen vorrangig für bürgerliche und
politische Rechte, wie beispielsweise das Frauenstimm- und Wahlrecht. Bekannt
dafür wurden dafür unter anderem die Suffragetten[2], eine Gruppe Feministinnen,
die Ende des 19. und frühen 20. Jahrhunderts für bürgerliche Frauenrechte in
Grossbritannien kämpften. In der Schweiz gab es Ende des 19. Jahrhunderts erste
Ansätze einer organisierten Frauenbewegung in Form von Frauenorganisationen. Sie
intervenierten – meistens vergeblich – bei anstehenden Revisionen von Verfassung
und Privatrecht, um ihre zivilrechtliche Stellung oder Handlungsfähigkeit zu
verbessern.(8) In den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten des 20.
Jahrhunderts entstanden diverse landesweite Frauenverbände.[3] Diese setzten
sich im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 für die zivil-
und arbeitsrechtliche Gleichstellung der Frauen ein, blieben dabei aber ziemlich
erfolglos und lösten sich bald darauf wieder auf. Neben den bürgerlichen
staatstreuen Frauenverbänden der Oberschicht erstarkten bald darauf auch
Arbeiter*innenbewegungen, in der sich auch Frauen aktiv engagierten, obwohl die
Partei- und Gewerkschaftsstrukturen insgesamt auch sehr von Männern dominiert
wurden.[4] Im Rahmen des Landesstreiks von 1918 engagierten sich zahlreiche
Frauen aus der Arbeiter*innenbewegung und Sozialdemokratie, darunter an
vorderster Front die Sozialistin Rosa Bloch, die als einzige Frau im Oltener
Aktionskomitee war. Die Forderung nach dem Frauenstimmrecht gewann als eine der
Hauptforderungen des Landesstreiks an Aufwind.(9) Die Einführung des
Frauenstimmrechts 1971 liess allerdings deutlich länger auf sich warten als
manche andere Landesstreikforderungen des Oltener Aktionskomitees: So konnte die
48-Stunden-Woche 1919/20 durchgesetzt werden und bereits wenige Wochen nach dem
Landesstreik begannen die Arbeiten für die Einführung einer Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHV).(10) Mit der Wirtschaftskrise Ende der 1920er
Jahre und der wachsenden Bedrohung durch den Faschismus entwickelte sich ein
verstärkter gesellschaftlicher Konservativismus, in dem feministische Anliegen
einen schweren Stand hatten.
Ab den 1960er-Jahren ist der Start der zweiten Welle angesiedelt. Die
feministische Bewegung gewann an Aufwind und konnte einige bedeutende
Fortschritte verbuchen. Präsente Themen waren unter anderem Schwangerschaft,
Abtreibung, Sexualität und Gewalt gegen Frauen. Die Erkämpfung der einzelnen
Rechte gestaltete sich nach wie vor zäh, schritt aber stetig voran. So wurde der
Gleichstellungsartikel am 14. Juni 1981 in die Bundesverfassung aufgenommen[5],
Mutterschaftsurlaub und der straffreie Schwangerschaftsabbruch liessen noch 20
Jahre länger auf sich warten.
Trotz Niederlagen und dem mühseligen Vorankommen kämpfte die feministische
Bewegung weiter. Zehn Jahre nach der Annahme des Gleichstellungsartikels, am 14.
Juni 1991, organisierten Feminist*innen im Rahmen des Frauenstreiktages
schweizweit die teilnehmer*innenträchtigsten Demonstrationen seit dem
Generalstreik von 1918.(11) 500‘000 FLINTA-Personen und zahlreiche solidarische
cis[6] Männer gingen auf die Strasse, um für Forderungen wie die Lohngleichheit
und Vereinbarkeit von Erwerbs- und Hausarbeit zu kämpfen. Die Fristenlösung zur
Entkriminalisierung von Abtreibungen wurde 2002 per Volksabstimmung angenommen,
ebenso 2004 das Modell einer Mutterschaftsversicherung. Mit den Fortschritten
wurde die rechtliche (nicht aber gesellschaftliche) Gleichberechtigung von
Männern und Frauen zu grösseren Teilen erreicht, weshalb sich der Glaube, dass
der Feminismus seine Ziele erreicht habe und obsolet sei, in der Bevölkerung und
unter liberalen Feminist*innen schnell verbreiten konnte. Die rechtliche
Gleichstellung von genderqueeren und trans Menschen lässt noch immer auf sich
warten. Aus Widerstand gegen den liberalen Feminismus zeichnete sich in den
1990er Jahren die dritte Welle der Frauenbewegung ab, die sich gegen diesen
Antifeminismus stellte und die Ideen der zweiten Welle auf moderne Umstände
angepasst fortführte.
Mit dem feministischen Streik von 2019 gab es, rund 30 Jahre nach dem ersten
Frauenstreik, ein Wiedererwachen und Erstarken der feministischen Bewegung in
der Schweiz. Die Forderungen “Lohn, Zeit, Respekt” bildeten am 14. Juni 2019
eine gemeinsame Basis der dutzenden lokalen Streikkollektive, Gewerkschaften und
linken Parteien, die erneut rund eine halbe Million Menschen auf die Strasse
mobilisieren konnten. Nicht zuletzt als Folge dieser Mobilisierung gewannen
verschiedene feministische Kämpfe in der Politik und der Wirtschaft, auch in
bürgerlichen Kreisen, an Relevanz. Durch die Arbeit und Vernetzung in den
Kollektiven gewann der Prozess und das Streben nach einem intersektionalen
Feminismus, der nicht nur weisse, bürgerliche cis Frauen berücksichtigt in der
feministischen Bewegung der Schweiz an Bedeutung.
Patriarchat und Kapitalismus: eine Verknüpfung
sondergleichen
Es gibt nicht den einen Feminismus, sondern eher verschiedene Feminismen und
feministische Strömungen, die sich grundlegend unterscheiden können. Während
beispielsweise liberale Feminismen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse nicht
verändern wollen, streben sozialistische und marxistische Feminist*innen danach,
jegliche Unterdrückungs- und Ausbeutungsstrukturen, allen voran den
Kapitalismus, zu überwinden.
Es gibt in den sozialistisch feministischen Strömungen diverse Theorien zur
Entstehung des Patriarchats, sowie zum Zusammenhang zwischen Kapitalismus und
Patriarchat. Eine grundlegende Frage ist dabei, ob das Patriarchat ein
eigenständiges System innerhalb des Kapitalismus sei. Es lassen sich diverse
soziale Phänomene beschreiben, bei denen ein Zusammenhang zwischen Kapitalismus
und Geschlechterunterdrückung besteht. Eine theoretische Erklärung dafür zu
finden, weshalb im Allgemeinen ein Zusammenhang zwischen Kapitalismus und
Geschlechterunterdrückung besteht, erweist sich als schwieriger. Die folgenden
linken Feminismustheorien stellen verschiedene Hypothesen dazu auf:
In der dual or triple system theory wird die Hypothese aufgestellt, dass
Geschlechter- oder Sexualverhältnisse ein eigenständiges, autonomes System
bilden, das mit dem Kapitalismus verflochten ist und die Klassenverhältnisse
umformt, aber wiederum selbst vom Kapitalismus umgestaltet wird. Es wird also
von einem Wechselwirkungsprozess ausgegangen.
Im materialistisch-feministischen Diskurs wird diese Annahme oft von der
Auffassung begleitet, dass Geschlechterverhältnisse und Rassismus ausbeuterische
und unterdrückerische Systeme sozialer Beziehungen seien. Im Allgemeinen werden
im Rahmen dieser Hypothese, die Klassenbeziehungen streng ökonomisch verstanden:
Erst die Interaktion mit dem Patriarchat und dem Rassismus, verleiht den
Klassenverhältnissen eine Dimension, die über die rein wirtschaftliche
Ausbeutung hinausgeht.(12)
Die Hypothese des «gleichgültigen Kapitalismus» geht davon aus, dass
Unterdrückung und Geschlechterungleichheit ein Überbleibsel früherer sozialer
Formationen und Produktionsweisen sind, in denen das Patriarchat die Produktion
direkt organisierte, was zu einer starren geschlechtlichen Arbeitsteilung
führte. Der Kapitalismus an sich ist demnach gleichgültig gegenüber den
Geschlechterverhältnissen und könnte ohne Geschlechterunterdrückung auskommen.
Gemäss dieser Theorie hat der Kapitalismus hat ein rein instrumentelles
Verhältnis zur Geschlechterungleichheit: Er nutzt sie, wo sie für ihn nützlich
sein kann, und bringt sie in eine Krise, wo sie ein Hindernis darstellt.
Die unitary theory stellt wiederum die Hypothese auf, dass es in
kapitalistischen Ländern kein patriarchales System mehr gibt, das unabhängig vom
Kapitalismus ist. Die unitary theory sieht die Geschlechterunterdrückung
allerdings keinesfalls als mechanische und direkte Folge des Kapitalismus oder
erklärt sie rein ökonomisch. Die Theoretiker*innen, welche die unitary theory
mitentwickelt haben betonen die Notwendigkeit, den Kapitalismus nicht als eine
Reihe von Gesetzen und Mechanismen rein wirtschaftlicher Natur zu betrachten,
sondern als eine komplexe und gegliederte Gesellschaftsordnung, die in sich
Ausbeutungs-, Herrschafts- und Entfremdungsbeziehungen trägt. Demnach führt die
Dynamik der kapitalistischen Akkumulation und Ausbeutung ständig zur Entstehung
und Aufrechterhaltung und Transformation von hierarchischen Beziehungen und
Unterdrückungsformen. Die Überwindung des Kapitalismus reicht folglich nicht
aus, um auch patriarchale Strukturen zu zerstören.
Die Verflechtung zwischen Kapitalismus und Patriarchat zeigt sich unter anderem
an der Dynamik der Care-Arbeit, die mehrheitlich von Frauen geleistet wird. Denn
die unbezahlte oder sehr schlecht bezahlte Care-Arbeit - das Erziehen von
Kindern, die Pflege von kranken und älteren Personen, das Verrichten von
Hausarbeit, Kochen, Putzen - ist für den Kapitalismus überlebensnotwendig.
Marx ging davon aus, dass das was er «Reproduktionsarbeit» nannte, in erster
Linie dem Erhalt der Lohnarbeit diene: Eine kapitalistische Gesellschaft braucht
die Reproduktionsarbeit, um die arbeitende Bevölkerung zu «erhalten» und es
anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu ermöglichen, arbeiten zu können. Da Marx
in seinen Werken die Grundlagen für das funktionieren der kapitalistischen
Gesellschaft anschaute, fehlt in seiner Analyse die Folge der Verschiebung der
Reproduktionsarbeit in den privaten Bereich, nämlich ihre fehlende
gesellschaftliche Anerkennung. Es ist jedoch klar, dass die Care-Arbeit
keineswegs am Rande des kapitalistischen Systems steht, sondern zu dessen
Fundament gehört. Der Kapitalismus kann ohne unbezahlte Care-Arbeit nicht
existieren.[7]
Die feministische Ökonomin Mascha Madörin hat aufgezeigt, dass in der Schweiz –
und das ist im internationalen Vergleich nicht anders – die geleistete
unbezahlte Sorgearbeit die geleistete Erwerbsarbeit bei weitem übersteigt. Wenn
die grösstenteils Frauen, welche diese Sorgearbeit leisten, dafür marktüblich
entlohnt würden, würde das 242 Milliarden Franken kosten.(13) Das entspricht
etwa einem Drittel des BIP. Der Kapitalismus und das Patriarchat bedingen sich
zwar gegenseitig, aber eine Abschaffung des Kapitalismus bedeutet nicht
automatisch die Befreiung aller Geschlechter. Denn ein Kampf, der sich lediglich
um die bezahlte Lohnarbeit dreht, ist reaktionär und führt nur zur Befreiung
derjenigen, die bereits heute in der vergleichsweise privilegierten Position
sind, Geld für ihre Arbeit zu erhalten.
Scheinlösungen im bürgerlichen Feminismus
Der bürgerliche Feminismus sieht die Antwort auf das Problem der Aufteilung der
Care-Arbeit in der individuellen Zeiteinteilung.(14) Dabei wird von bürgerlichen
Feminist*innen oft auf die Auslagerung der eigenen Care-Arbeit wie Reinigung,
Kindererziehung und Haushaltsarbeiten auf private Angestellte gesetzt. Doch die
Arbeitsbedingungen im bezahlten Care-Arbeit-Sektor sind oft prekär, der ganze
Pflege- und Betreuungssektor ist von einem gravierenden Personalmangel und
massiven Verteuerungen betroffen. Care-Arbeit auf schlecht bezahlte
Arbeiter*innen zu verlagern ist alles andere als feministisch. Nebst den
schlechten Arbeitsbedingungen sind im Care-Sektor oft Migrant*innen und Sans-
Papiers tätig, die sich in einer noch prekäreren Situation befinden. Viele Sans-
Papier-Frauen arbeiten in Privathaushalten.(15) Die Kriminalisierung durch ihren
nicht vorhandenen Aufenthaltsstatus setzt insbesondere Sans-Papier-Frauen
illegalen Arbeitsverhältnissen und krasser Ausbeutung aus, gegen welche sie sich
kaum wehren können.
Bürgerliche Feminist*innen halten den Fakt, dass die Erwerbstätigkeit der Frauen
seit den 1970er Jahren stetig steigt, als grossen feministischen Fortschritt
hoch. Selbst wenn diese bei vielen Frauen zu einer höheren finanziellen
Unabhängigkeit und dadurch zu einer grösseren gesellschaftlichen Freiheit
geführt hat, ist diese Entwicklung durchaus kritisch zu betrachten.(16) Auch
wenn Frauen nun vermehrt erwerbstätig sind, arbeiten sie mehrheitlich in
Teilzeitanstellung und befinden sich so in einem benachteiligten
Arbeitsverhältnis. Ausserdem sind berufstätige Frauen heute meist mit einer
enormen Doppelbelastung konfrontiert: Das Ausmass der unbezahlten Care-Arbeit,
welche sie leisten, ist fast unverändert hoch und die Gesamtheit der geleisteten
unbezahlten und bezahlten Arbeit ist entsprechend höher. Im Jahr 2020 verdienten
Frauen in der Schweiz pro Kopf durchschnittlich 1’500 Franken pro Monat weniger
als Männer.(17) Das «Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und
Frau» unterscheidet häufig zwischen einem «erklärbaren» und einem «nicht
erklärbaren» Anteil an der Lohndifferenz. Der sogenannte «erklärbare»
Lohnunterschied rührt daher, dass viele Frauen in Branchen wie dem
Gesundheitsbereich arbeiten und dort weniger verdienen, dass viele Frauen
Teilzeit arbeiten und dass viele Berufe im Niedriglohnsektor häufig traditionell
weiblich konnotiert sind – darunter etwa der Detailhandel, die Gastronomie, die
Reinigungsbranche sowie Pflegeberufe. Nicht erklärbar seien hingegen nur
Lohnunterschiede von Frauen und Männern im gleichen Job. Diese “logischen
Erklärungen” sind auf patriarchale Diskriminierungsstrukturen zurückzuführen. Ob
erklärbar oder nicht erklärbar, es gibt keine Rechtfertigung für
Lohnunterschiede. Deshalb ist diese statistische Unterscheidung problematisch.
Dass mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeitet – und nur
20% der arbeitenden Männer – ist kein Zufall: Frauen übernehmen nach wie vor die
Hauptverantwortung bei der Kinder- und Haushaltsbetreuung.
Die logische Folge des Lohngefälles ist dann auch ein Rentengefälle, der
sogenannte «Gender Pension Pay Gap». Oft sind es Hausfrauen, die jährlich bloss
einen Mindestbeitrag in die AHV einzahlen können und deshalb auch eine
Minimalrente oder eine verhältnismässig tiefere Rente erhalten. Den Frauen
werden in der Schweiz durchschnittlich 37% tiefere Renten ausbezahlt als
Männern.(18) Das liegt vor allem daran, dass Frauen viel weniger in die zweite
Säule einzahlen können als Männer: Frauen laufen eher Gefahr, den Mindestbetrag
(“Koordinationsabzug”) eines Jahreslohnes von circa 22’000 Franken nicht zu
erreichen. Teilzeitarbeit, Erwerbsunterbrüche und vergleichsweise tiefer Lohn
sind ausschlaggebende Faktoren für die unterschiedlich hohen Renten. Dies führt
dazu, dass Frauen in der Schweiz überproportional stark von Altersarmut
betroffen sind - auch das ist eine Folge der strukturellen Unterdrückung.
Grundsätzlich liegt der Kern des bürgerlichen Feminismus in der liberalen
Doktrin der Selbstverwirklichung. Diese geschieht auf Kosten anderer und ist
angeblich nur der harten Arbeit der betreffenden Person zu verdanken.
Der bürgerliche Feminismus fordert Frauen daher auf, die "gläserne Decke" zu
durchbrechen und genauso wie Männer in Machtpositionen zu kommen. Frauen werden
Beispiele von erfolgreichen Frauen als Inspiration angepriesen, wobei ignoriert
wird, dass der Erfolg von Unternehmerinnen beispielsweise auf der Ausbeutung
anderer beruht und daher naturgemäß nur einer kleinen Gruppe von privilegierten
Personen zugänglich ist. Der bürgerliche Feminismus stellt also keineswegs die
bestehenden Machtverhältnisse und -strukturen in Frage, sondern fördert die
Gleichstellung von Frauen, die der hegemonialen Norm entsprechen, innerhalb
eines Systems, das nach wie vor kapitalistisch, rassistisch, heteronormativ und
binär ist.
Perspektiven der Care-Gesellschaft
Um eine gerechte Aufteilung der Care-Arbeit, ohne Doppelbelastung und ohne
Auslagerung zu erreichen, braucht es einen Systemwandel.
Die Care-Arbeit muss weg von der individuellen Verantwortung und zu einer
gesellschaftlichen Aufgabe werden. Die prekären Arbeitsbedingungen in der
bezahlten Care-Arbeit müssen massiv verbessert und das Gesundheitswesen, sowie
die Betreuungsstrukturen ausgebaut werden. Projekte wie
generationenübergreifendes Wohnen können dazu beitragen, Care-Arbeit zu
kollektivieren und gerechter zu verteilen. Aber einzelne Strukturen und Projekte
reichen nicht. Care-Arbeit, ob bezahlt oder unbezahlt, ist enorm zeitintensiv.
Die Optimierungs- und Profitmaximierungslogik des Kapitalismus lässt sich nicht
auf die Care-Arbeit anwenden. Care-Arbeit ist zentral für unsere Lebensqualität
und darf nicht weiter individualisiert und privatisiert werden, sondern muss
gemeinschaftlich getragen werden.
Damit diese unbezahlte Care-Arbeit in Zukunft allerdings gleichmässig auf den
Schultern aller Geschlechter verteilt werden kann, braucht es einen
grundlegenden, feministischen Wandel unserer Gesellschaft. Dazu braucht es
zwingend eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn. Auch
eine genügend lange und vollständig vergütete Elternzeit für beide Elternteile,
ein Mindestlohn, die Durchsetzung von Lohngleichheit, sowie die Anerkennung von
unbezahlter Arbeit von allen Sozialversicherungen gehören zu den zentralen
Voraussetzungen einer Care Gesellschaft,[8] in der alle Zeit und Energie haben,
Sorgearbeit zu übernehmen und sich gegenseitig zu entlasten.
Die Gewaltexzesse des Patriarchats
Das Patriarchat äussert sich in verschiedensten Formen von Unterdrückung und
Diskriminierung, wobei physische und psychische Gewalt zu den unmittelbarsten
Auswirkungen gehören. Gewalt gegen FLINTA-Personen entsteht vorrangig durch eine
geschlechtsspezifische gesellschaftliche Sozialisierung, die wiederum
eingebettet in gesellschaftliche Strukturen/Verhältnisse ist. Wir lernen von
klein auf, uns anhand von Geschlechternormen zu verhalten und in der
Gesellschaft zu bewegen. Manche Verhaltensweisen werden gesellschaftlich für ein
Geschlecht als angebracht und erwünscht gesehen, für ein anderes Geschlecht
wiederum nicht. Ein Beispiel ist hier der Umgang mit Emotionen. So ist etwa
impulsives und aggressives Verhalten ist gesellschaftlich eher Männern
zugesprochen, im Gegensatz dazu ist der offene Umgang mit Trauer und
Verletzlichkeit Frauen vorbehalten. Diese sexistische Sozialisierung hat ihren
Ursprung auch heute noch in einer patriarchalen Hierarchisierung der
Geschlechter. Diese patriarchalen Geschlechternormen und Rollenbilder prägen den
Umgang miteinander.
Praktisch alle FLINTA-Personen erfahren in ihrem Leben Formen von sexualisierter
Gewalt. Dazu gehören unter anderem sexuelle Belästigung, geschlechtsspezifische
und häusliche Gewalt. In einer Studie von Amnesty Schweiz gaben zwei Drittel
aller befragten Frauen an, schon einmal eine Art von sexueller Belästigung
erlebt zu haben.(19) Sogenannte Schlupfhäuser (auch Frauenhäuser genannt)
agieren als Zufluchtsorte und bieten Betroffenen von körperlicher, psychischer
und/oder sexualisierter Gewalt Schutz und Beratung und sind damit ein wichtiges
Kriseninterventionsangebot. Heute müssen in Frauen- und Schlupfhäusern
regelmässig Personen mangels Platz und Ressourcen weggewiesen werden, denn in
der Schweiz stehen gerade einmal 300 Plätze zur Verfügung. Dieser Zustand ist
unhaltbar und verstösst zudem gegen die Istanbul-Konvention. Die
Expert*innengruppe des Europarats für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
häuslicher Gewalt fordert eine massiv höhere Finanzierung der Institutionen und
die Schaffung von mindestens 860 Plätzen in Schlupfhäusern.(20) Zudem ist es
zentral, dass die Schutzunterkünfte für alle patriarchal unterdrückten Personen
zugänglich sind, neben cis Frauen also insbesondere auch für TINA (trans, inter,
nonbinäre und agender) Personen. Das ist heute in vielen Schutzunterkünften
nicht der Fall und TINA Personen, welche besonders stark von patriarchaler
Gewalt betroffen sind, haben mangelhafte Unterstützungsmöglichkeiten, welche sie
in Anspruch nehmen können. Des Weiteren ist gerade mal ein Schlupfhaus in der
Schweiz barrierefrei, was sich unbedingt ändern muss.
Patriarchale und sexualisierte Gewalt ist zwar in vielen Formen strafrechtlich
relevant, doch nur ein Bruchteil aller Sexualstraftäter*innen wird je für ihre
Tat verurteilt. Die Reform des veralteten Sexualstrafrechts ist ein wichtiger
Schritt, denn das bisherige Gesetz setzt für den Tatbestand der Vergewaltigung
oder sexuellen Nötigung voraus, dass sich Betroffene aktiv körperlich zur Wehr
setzen. Das ist für Betroffene allerdings oft nicht möglich, u.a. wegen dem
sogenannten “Freezing-Effekt”[9]. Ausserdem basiert das schon längst überholte
Gesetz auf veralteten, patriarchalen Vorstellungen davon, was unter einer
Vergewaltigung und Sexualdelikten verstanden werden sollte. Dabei ist es
eigentlich einfach: Sexuelle Handlungen ohne Zustimmung aller Beteiligten sind
Gewalt, denn "nur Ja, heisst Ja"! Es ist wichtig, dass dieser Grundsatz im
Gesetz verankert wird.
Doch mit Gesetzesreformen allein lassen sich grundlegende Probleme im Bereich
der sexualisierten Gewalt nicht lösen. Bei Sexualdelikten handelt es sich
oftmals um sogenannte “Vier-Augen-Delikte”. Entsprechend können Betroffene vor
Gericht kaum beweisen, was geschehen ist und Strafverfahren für Betroffene oft
aussichtslos. Ausserdem ist auch der Prozess und das Verfahren bei
Sexualdelikten für Betroffene meist sehr belastet. Staatliche Institutionen wie
Polizei und Justiz reproduzieren sexistische und patriarchale Strukturen. Bei
Verfahren zu Sexualprozessen müssen sind Betroffene oft langen Befragungen
aussetzen. Dabei kommt es im Prozess oft zu sogenanntem Victim Blaming[10], die
Erfahrungen der Betroffenen werden angezweifelt und die Schuld wird in ihrem
Verhalten gesucht. Solche Prozesse können enorm belastend und potentiell
retraumatisierend sein. Es braucht einen grundlegend anderen Umgang der Behörden
und Justiz im Bereich der Prozesse um sexualisierte Gewalt. Die Bekämpfung der
sexualisierten Gewalt muss allerdings in erster Linie gesellschaftlich geführt
werden. Diese Problematik ist systematisch. Durch das einfache Wegsperren von
Tätern wird das Problem fälschlicherweise auf eine individuelle Ebene gestellt.
Diese Täter sind jedoch Kind dieser Gesellschaft und das Problem muss
entsprechend auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden.
NI UNA MENOS - nicht eine weniger!
In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine weiblich gelesene Person durch ihren
Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Jede Woche
überlebt eine Frau einen versuchten Femizid. Weiblich gelesene Personen werden
aber auch ausserhalb von Beziehungen Opfer von Femiziden. Statistiken beleuchten
dazu auch nur das «Hellfeld»[11] der bekannt gewordenen Fälle von Gewalt und
Tod, die Dunkelziffer ist also unbekannt. In der Schweiz gibt es keine
offizielle Stelle, die Femizide aufzeichnet und eine Statistik über Tötungen
aufgrund des Geschlechts führt.(21) Femizide sind keine Einzelfälle, sondern das
Resultat und die Spitze des Eisbergs von struktureller patriarchaler Gewalt in
unserer Gesellschaft. Die Folgen dieser patriarchalen und misogynen[12]
Gesellschaftsstrukturen äussern sich auch in Form von organisierter
patriarchaler Gewalt, dies zeigt sich beispielsweise in der sogenannten “Incel-
Bewegung”, einer globalen und hochgefährlichen Ideologie, aus der sich eine
global vernetzte Bewegung entwickelte, die Gewalttaten an FLINTA-Personen offen
zelebriert. In den vergangenen Jahren gab es diverse Femizide und Attentate, die
durch Anhänger der Incel-Bewegung verübt wurden.(22)
Extreme Gruppierungen wie die “Incels”[13] verbreiten die Idee, dass Feminismus
zu weit gegangen wäre und nun cis Männer darunter leiden würden. Ihrer
Auffassung nach haben Männer ihre (verdiente) dominante Stellung in der
Gesellschaft verloren. Konsequenz von diesem Statusverlust seien Dekadenz,
“verweiblichte” cis Männer und eine Zerstörung der natürlichen Ordnung der
Geschlechter. Incels sehen sich dabei als die grössten Verlierer und Frauen als
boshafte Unterdrückerinnen, die den Männern durch den Feminismus den Zugang zu
Sexualität, Liebe und Zuneigung verwehren. Incels orientieren sich an einem
äusserst toxischen Männerbild, das im Widerspruch zu feministischen
Fortschritten steht und streben dieses aktiv an.
Toxische Männlichkeit kann als männliches Verhalten beschrieben werden, das alle
Mitglieder der Gesellschaft direkt oder indirekt schädigt. Darunter fallen
Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Dominanz und eine erhöhte
Gewaltbereitschaft, Queerfeindlichkeit und Mysogynie. Dieses Verhalten wird
anerzogen und sozialisiert. Männlich sozialisierte Personen lernen so
beispielsweise, dass Schwäche, Emotionen zeigen oder Hilfesuchen unmännlich
wäre.(23)
Oftmals stammt “toxisch männliches” Verhalten auch aus Unsicherheit und dem
Versuch, patriarchalen Männlichkeitsidealen zu entsprechen. Insbesondere
heterosexuelle cis Männer sind anfällig für toxisch maskulines Verhalten. Auch
queere Männer können toxisch männliche Verhaltensweisen aufzeigen, allerdings
bestehen bei ihnen meist weniger extreme Tendenzen, da sie durch ihre Sexualität
bereits mit dem klassisch patriarchalen Männerideal brechen. Unter den Folgen
von toxischer Männlichkeit leiden nicht nur FLINTA-Personen, sondern auch cis
Männer selbst. Denn die bestehenden Männlichkeitsideale und patriarchalen
sozialen Normen führen oft auch zur Vernachlässigung von gesundheitlichen oder
psychischen Erkrankungen, zu destruktiven Copingmechanismen und zu erhöhter
Risiko- und Gewaltbereitschaft. Es ist also im Sinne von uns allen, patriarchale
Rollenbilder zu hinterfragen, toxisch männliches Verhalten zu reflektieren und
das ganze Konstrukt der sozialen Geschlechter zu überwinden.
Kämpfe verbinden
Was die lesbische Schwarze Autorin und Marxistin Audre Lorde 1983 festhielt,
gilt auch heute noch: “Ich bin nicht frei, solange noch eine einzige Frau unfrei
ist, auch wenn sie ganz andere Fesseln trägt als ich.” Als Linke gilt es, diesen
Satz in seiner Gesamtheit zu begreifen. Und das beginnt beim Verständnis der
Verknüpfung des Kapitalismus mit Unterdrückungsstrukturen wie Rassismus,
Ableismus, Seximus und Queerfeindlichkeit. Kimberlé Crenshaw vergleicht diese
Verknüpfung in ihrem bekanntesten Essay (1989)(24) mit einer Kreuzung
(intersection). Dabei soll aufgezeigt werden, dass sich diese
Diskriminierungsformen nicht einfach addieren, sondern dass beim
Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Formen eine neue
Diskriminierungserfahrung entsteht.[14]
Häufig enden die linken queerfeministischen Analysen an diesem Punkt, wo sie
eigentlich erst anfangen sollten. Denn der Ansatz der Intersektionalität ist
keine fixfertige sozialistische Analyse, im Gegenteil: Intersektionalität
erkennt lediglich, dass es verschiedene Unterdrückungs- und
Ausbeutungsstrukturen gibt und dass diese sich überlagern und somit zu einer
anderen Dimension an Unterdrückung führen können. Das Konzept lädt entsprechend
leider auch zu einem neoliberalen und individualistischen Fazit ein. Spätestens
seit neoliberale Regierungen wie die in Deutschland “Intersektionalität” als go-
to Begriff verwenden, müssen wir uns als sozialistische Kräfte hintersinnen.(25)
Wir müssen den Unterschied zwischen Ausbeutung und Unterdrückung verstehen und
folglich erkennen, dass race und Gender allein keine Diskriminierung verursacht,
sondern historisch als Unterdrückungsmerkmale etabliert wurden. Klasse hingegen
ist im marxistischen Sinne ein gesellschaftliches Verhältnis, das Produktion und
Kapitalakkumulation gewährleistet.(26) Die Eigentumslosigkeit von Arbeiter*innen
ist nicht nur Resultat der kapitalistischen Ausbeutung, sondern dessen
Grundlage, historisch bedingt durch die ursprüngliche Kapitalakkumulation. Da
die Arbeiter*innenklasse den gesellschaftlichen Reichtum produziert, könnten sie
diese Produktion auch zusammen stoppen. Diese Macht des Kollektivs wird bei
einer eindimensionalen Intersektionalitätsanalyse verschleiert. Kategorien wie
race und Gender werden als unbeweglich wahrgenommen und Klasse wird
fälschlicherweise als Unterdrückungsgrund definiert- Ausbeutung und
Unterdrückung werden somit fälschlicherweise gleichgesetzt. Gender muss jedoch
genau so wie race als Instrument kapitalistischer Ausbeutung verstanden werden.
Entsprechend müssen Klassenbewusstsein geschaffen und Kämpfe verbunden werden.
Für das Verständnis der Komplexität von Machtstrukturen ist es daher essentiell,
dass wir Diskriminierungunsstrukturen wie Rassismus in eine feministische
Analyse inkludieren. Rassifizierte FLINTA-Personen sind mehrdimensionalen
Diskriminierungsformen ausgesetzt, die sich nicht selten stark unterscheiden.
Dabei passiert ein Othering des Sexismus, was bedeutet, dass sich Sexismus,
zusammen mit der Art und Weise, wie eine FLINTA-Person von Rassismus betroffen
ist, unterscheidet.(27) Die agressiv-rassistischen und sexistischen Kampagnen
der SVP, allen voran die “Burka-Debatte”, zeigen dies unter anderem auf.
Kopftuchtragende Frauen werden als Opfer einer “Kultur” und deren Männer
dargestellt.(28) Ziel sei es lediglich, sie “zu retten”, rassistischer Sexismus
wird also als Charity-Projekt verkauft und auch als Legitimierung für
(neo)koloniale und imperialistische Ausbeutung verwendet. Dabei passieren
verschiedene Dinge: Nikabtragende Frauen werden entmündigt und als subjektlose
Opfer dargestellt. Patriarchale Strukturen werden als Problem der “anderen”
inszeniert. Das einzige Ziel dabei ist es, die komplette Macht und Kontrolle
über den weiblichen Körper zu erlangen. Dies ist nur eines von vielen Beispielen
eines Symptoms von spezifisch antimuslimischem rassistischem Sexismus. Auch
gewisse weisse Feminist*innen verfallen noch immer dem White-Saviour-Komplex.
Die postkoloniale sozialistische Feministin Chandra Talpade Mohanty beschreibt
dies in ihrem berühmten Essay Under Western Eyes: Feminist Scholarship and
Colonial Discourses (1984) als ein “Projekt” von westlichen Feminist*innen.
Diese erschufen eine Kategorie der “Dritte-Welt-Frauen” als homogene Gruppe, für
welche sie sprechen und sie somit auch retten könnten.(29) Dieser
universalfeministische Anspruch ist exkludierend, diskriminierend und zu
verurteilen.
Knüpfen wir an dieser Stelle an Audre Lordes Aussage an: “It is not our
differences that divide us. It is our inability to recognize, accept, and
celebrate those differences.”(30) Wir müssen folglich die verschiedenen
Lebensrealitäten anerkennen und ihnen entsprechend Raum geben – also Kämpfe
verbinden. Wir dürfen nicht für andere sprechen, alle FLINTA-Personen sollen in
unseren Bewegungen Platz erhalten – Differenzen zwischen unseren
Lebensrealitäten bestehen, doch sie trennen uns nicht. Nur so können wir die
verschiedenen und in sich verknüpften Machtkonstrukte bekämpfen und überwinden.
Feministische Utopien zur Realität machen!
Wir kämpfen für eine Welt ohne kapitalistische und patriarchale Unterdrückung.
Eine Welt, in der wir uns unabhängig von unserer Geschlechtsidentität,
Sexualität, Hautfarbe und Herkunft frei entfalten können. Eine Welt, die
solidarisch, antirassistisch, inklusiv und intersektional feministisch ist. Die
Bekämpfung aller Formen von Unterdrückung, Diskriminierung und struktureller
Gewalt sind für unsere feministischen Visionen unabdingbar. Von dieser Vision
ist unsere Gesellschaft noch weit entfernt.
Unsere feministische Utopie ist eine Welt, in der die Geschlechterbinarität
überwunden ist und in der sich jeder Mensch, frei von Ausbeutung, entfalten
kann. Das erfordert eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft in mehreren
Bereichen. Erstens wollen wir eine Gesellschaft, in der jeder Mensch die
Freiheit hat, über seinen Körper zu verfügen. Darunter verstehen wir die
Freiheit, den eigenen Körper nach Belieben, auf sichere und informierte Weise zu
verändern. Wir verstehen darunter auch die Freiheit, konsensuelle Beziehungen
mit Partner*innen unserer Wahl zu führen, ohne verurteilt zu werden, und eine
informierte Sexualität zu leben, die auf Zustimmung und Kommunikation basiert.
Genauso muss es aber auch die Freiheit geben, keine sexuellen Beziehungen zu
haben, ohne dabei unter Druck gesetzt zu werden. Dazu braucht es Schutz, wenn
diese Freiheiten nicht respektiert werden. Zu guter Letzt bedeutet die Freiheit,
über den eigenen Körper zu verfügen, die Freiheit zu gebären und zu stillen,
aber auch, dies nicht zu tun, einschließlich der Freiheit, eine Schwangerschaft
jederzeit abzubrechen.
Zu unsere Utopie gehört auch die Abschaffung der Institutionen Ehe und Familie
und die Befreiung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Denn die Ehe ist, trotz
Fortschritten in der Gesetzgebung, von Natur aus die staatliche Absicherung der
Allmacht des Ehemannes über seine Ehefrau. Diese Institution ist unvereinbar mit
einem emanzipatorischen Gesellschaftsprojekt.
Die Abschaffung der Familie muss mit einer Kollektivierung der Kindererziehung
einhergehen.
Doch auch innerhalb der JUSO und der gesamten feministischen Linken gibt es noch
blinde Flecken und patriarchale Strukturen. Wir sind nicht immun gegen
internalisierten Sexismus, Vorurteile und das Reproduzieren von
Diskriminierungsstrukturen. Auch in linken Bewegungen gibt es Sexismus,
Transmisogynie, Rassismus, Ableismus. Wir als Linke müssen uns auch intern aktiv
mit diesen Themen auseinandersetzen, Betroffenen zuhören, sie unterstützen und
ihre Stimmen verstärken. Nur so können wir effektive Präventionsarbeit leisten
und Lernprozesse anstossen. Auch in der Linken gibt es Vorfälle von
Diskriminierung oder sexualisierter Gewalt. Es ist unsere Pflicht, hinzuschauen
und Strukturen zu schaffen, welche Betroffene statt Täter*innen schützen.
Eine faire Verteilung der Aufgaben ist auch in linken Strukturen leider nicht
selbstverständlich. Wer übernimmt in Kollektiven und Vorständen welche Aufgaben-
Wer schreibt Protokolle, organisiert Events, räumt nach Anlässen auf, wer
kümmert sich um andere? Wer übernimmt die unsichtbare Arbeit, wer steht in der
Öffentlichkeit? Wie viel Raum nehmen verschiedene Personen innerhalb der eigenen
Strukturen ein? Wenn wir uns in der Linken ehrlich mit diesen Fragen
auseinandersetzen, merken wir, dass auch bei uns oftmals Care-Arbeit und
“unsichtbare” Aufgaben von FLINTA-Personen übernommen werden, cis Männer in
Debatten tendenziell mehr Raum einnehmen. Nur indem wir diese Tendenzen benennen
und selbstkritisch analysieren, können wir die Strukturen, welche sie verstärken
und zementieren, durchbrechen.
Banden bilden
Zur kritischen Auseinandersetzung mit Diskriminierungsstrukturen in
feministischen Räumen und Bewegungen gehört auch die Reflektion über deren
Zugänglichkeit für marginalisierte Gruppen. Feministische Räume sind auch heute
oft noch dominiert von weissen, privilegierten cis Frauen. In der feministischen
Bewegung ist es zentral, dass die Anliegen von marginalisierten Gruppen, von
TINA-Personen, People of Color und Menschen mit Behinderungen priorisiert werden
und die Betroffenen selbst zu Wort kommen. Die Kämpfe von trans Personen in
Bereichen wie dem Diskriminierungsschutz oder dem Kampf für körperliche
Selbstbestimmung müssen Raum bekommen und solidarisch unterstützt werden – das
muss über die Anpassung von Begriffen wie „Frauenstreik“ zu „feministischer
Streik“ hinausgehen.
Um den Wandel in der Gesamtgesellschaft vorantreiben zu können, müssen Bündnisse
zwischen feministisch-linken Strukturen entstehen. Eine Verzettelung dieser
Strukturen bedeutet immer eine Schwächung unserer Schlagkraft. Spalterische
Tendenzen müssen überwunden werden, denn unsere Stärke würde in der eigentlichen
Grösse dieser Bewegung liegen. Nur eine geeinte feministische Linke kann die
Massen auf die Strassen und zum Streiken mobilisieren.
Die feministischen Kämpfe, der Handlungsbedarf in verschiedensten
gesellschaftlichen Bereichen und die damit einhergehenden Forderungen sind enorm
umfangreich und können unmöglich in einem Positionspapier abgehandelt werden.
Die untenstehenden Bereiche und Forderungen gehören zu den feministischen
Kämpfen, die wir als JUSO aktuell im feministischen Diskurs priorisieren
möchten.
Feministische Offensive, jetzt!
Uns bleibt nur Eines: wir müssen in die Offensive! Keine Bewegung in der Schweiz
ist momentan so mobilisierungsfähig wie die feministische Bewegung. Das
Streikjahr 2023 ist daher weichenstellend für die Zukunft. Die JUSO sieht sich
als aktiver Teil dieser Bewegung und vertritt entsprechend folgende Forderungen.
Die effektive Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung
Praktisch alle FLINTA-Personen erleben in ihrem Leben sexualisierte Gewalt. Dazu
gehören unter anderem sexuelle Belästigung, geschlechtsspezifische und häusliche
Gewalt. Es braucht strukturelle Massnahmen zur Bekämpfung von sexualisierter
Gewalt:
- Feministische Aufklärungs- und Bildungsarbeit in den Schulen und
Bildungseinrichtungen, begleitet von schweizweiten feministischen
Sensibilisierungskampagnen
- Ein massiver Ausbau von Schutz-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten
für Menschen aller Geschlechtsidentitäten durch Weiterbildung in
bestehenden Institutionen und Bereitstellung von mehr finanziellen
Ressourcen
- Den Ausbau von Plätzen und Ressourcen der Schutzunterkünfte für Personen,
die von patriarchaler Gewalt betroffen sind
- Erhöhte Ressourcen und die Errichtung von Schutzunterkünften in allen
Regionen, die spezifisch auf den Schutz und die Bedürfnisse von TINA-
Personen ausgerichtet sind
- Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am
Arbeitsplatz und einen konsequenten Diskriminierungsschutz, welcher
FLINTA-Personen und insbesondere trans Personen vor Diskriminierung und
willkürlicher Kündigung am Arbeitsplatz schützt
- "Nur Ja heisst Ja" - Regel im Sexualstrafrecht & Berücksichtigung der
Dynamik von “Freezing”
- Stärkung von Präventions- und “Täterarbeit”, also Verpflichtung zu
Reflexion, Bildung bei Straftaten und Übergriffen
- Vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz
Care-Arbeit gesellschaftlich neu organisieren
Nur, wenn alle mehr Zeit haben, Care-Arbeit zu leisten – und die Gesellschaft
nicht mehr länger nur die Frauen in die Teilzeitarbeit drängt – können auch
Männer endlich ihren gerechten Anteil an unbezahlter Sorgearbeit leisten. Die
Arbeitszeitverkürzung ist eine feministische Forderung, eine der wichtigsten
unserer Zeit: Zeit für Care-Arbeit und die nötige Wertschätzung dafür zu
schaffen, das funktioniert in unserem heutigen System nicht. Es braucht dringend
eine Aufwertung und Sichtbarmachung von bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit,
sowie einen Ausbau von gesellschaftlichen Care-Strukturen. Mittelfristig
bedeutet das nichts weniger als einen radikalen Umbau sämtlicher Gesellschafts-
und Wirtschaftsbereiche hin zu einer Care-Gesellschaft:
- Massive Investitionen in das Gesundheitswesen, Betreuungsstrukturen und
die Ausbildung von Fachkräften für eine strukturelle Aufwertung von Care-
Arbeit im formellen Arbeitssektor mit besseren Löhnen und
Arbeitsbedingungen
- Care-Arbeit muss öffentlich-gesellschaftlich organisiert werden
- Senkung der Arbeitszeit auf 25 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Lohn
- um mehr Zeit für Care-Arbeit, wie Hausarbeit und Kinderbetreuung, zu
haben und diese gerechter verteilen zu können
- Care-Fonds mit ausreichend finanziellen Mitteln für einen umfassenden
feministischen Umbau der Gesellschaft und einen massiven Ausbau der
gesellschaftlichen Care-Strukturen
Kompromisslose körperliche und persönliche Selbstbestimmung
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist eine der zentralen feministischen
Forderungen und Errungenschaften. Dazu gehört neben dem Recht auf Abtreibung
auch das Recht auf körperliche und medizinische Selbstbestimmung von trans und
intergeschlechtlichen Personen. Diese elementaren Selbstbestimmungsrechte gilt
es zu sichern:
- Zugang zu ergebnisoffenen Beratungs- und Unterstützungsangeboten für
Schwangere und die garantierte Option sicherer, selbstbestimmter
Schwangerschaftsabbrüche
- Kostenlose Verhütungsmittel und Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten
- Die Verankerung des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung, insbesondere
das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche muss in die
Bundesverfassung und die Schwangerschaftsabbrüche müssen aus dem
Strafgesetzbuch gestrichen werden
- Der Zugang zu selbstbestimmter medizinischer und psychologischer Beratung
und komplett durch die Krankenkasse finanzierte Behandlungen für trans
Personen
- Das Verbot von medizinisch unnötigen Eingriffen an intergeschlechtlichen
Babies
- Der Zugang zu professioneller und neutraler Beratung sowie Leistungen im
Bereich der sexuellen Gesundheit, die Weiterentwicklung der Ausbildung für
bestehendes und zukünftiges Personal sowie eine höhere Finanzierung der
sexuellen Gesundheit
- Die Möglichkeit eines dritten amtlichen Geschlechtseintrag
Feministische Offensive in der Berufswelt
- Ausgebauter Schutz und Unterstützung von schwangeren Personen im
Berufsleben während und nach der Schwangerschaft
- Effektive Bekämpfung von Lohndiskriminierung: Lohntransparenz in allen
Bereichen und verpflichtende staatliche Lohndiskriminierungskontrollen in
Unternehmen
- Eine intersektionale Untersuchung der Lohndiskriminierung, die z.B. die
Lohnunterschiede bei People of Color, queeren Personen oder Menschen mit
Behinderungen untersucht
- Die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns von 5000 CHF, der an die
Teuerung gekoppelt ist
- Ausbau der arbeitsrechtlichen Schutzmassnahmen von Menschen, die in oft
prekären und schlecht regulierten Arbeitsverhältnissen wie der Reinigung
und der Pflege in Privathaushalten tätig sind
- Abschaffung der zweiten und dritten Säule und Einführung einer solidarisch
finanzierten Volkspension
- Regularisierung aller Sans-Papiers und Gewährleistung gleicher Arbeits-
und Aufenthaltsbedingungen für alle Menschen
Fussnoten:
[1] An dieser Stelle muss beachtet werden, dass wir im Rahmen eines
Positionspapiers der Grösse und Vielfalt dieser Thematik niemals gerecht werden
können.
[2] Als Suffragetten bezeichnet man im 20. Jh. organisierte Frauenrechtlerinnen
aus Grossbritannien und den USA.
[3] z.B: Bund Schweizerischer Frauenvereine, Schweizerischer Verband für
Frauenstimmrecht.
[4] Darunter der Verband deutschschweizerischer Frauenvereine zur Hebung der
Sittlichkeit, der 1912 zum grössten schweizerischen Frauenverband wurde;
Elisabeth Joris: "Sittlichkeitsbewegung", in: Historisches Lexikon der Schweiz
(HLS), Version vom 24.01.2013. Online: https://hls-dhs-
dss.ch/de/articles/016444/2013-01-24/, konsultiert am 18.04.2023.
[5] Das Gleichstellungsgesetz ist erst im Jahr 1996 in Kraft getreten.
[6] Cisgender Personen identifizieren sich mit dem Geschlecht, dass ihnen bei
Geburt zugeteilt worden ist.
[7] In unserem Grundlagenpapier Care-Arbeit führen wir die Thematik und unsere
konkreten Forderungen dazu weiter aus:
https://juso.ch/de/standpunkte/feminismus/grundlagenpapier-care-arbeit/
[8] Zur weiteren Ausführung der Care-Gesellschaft, siehe: Denknetz, Perspektive
Care-Gesellschaft: Plädoyer für eine Erneuerung des Gesellschaftsvertrags –
lokal und global. Online unter: https://www.denknetz.ch/care-gesellschaft/
[9] Freezing bezeichnet das Erstarren von Betroffenen während ihnen
sexualisierte Gewalt widerfährt.
[10] Victim Blaming bei sexualisierter Gewalt beschreibt das Phänomen, bei
welchem die Verantwortung für einen Übergriff dem Opfer anstatt der Tatperson
zugeschrieben wird.
[11] Das in den amtlichen Polizeistatistiken dargestellte, offiziell bekannt
gewordene und registrierte Kriminalitätsgeschehen wird als Hellfeld bezeichnet.
Dies sind alle Straftaten, die der Polizei durch eigene Ermittlungen oder
Anzeige bekannt werden und die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)
auftauchen. Der Anteil der gesamten Kriminalität, der nicht registriert wird,
wird als Dunkelfeld bezeichnet.
[12] Unter Misogynie versteht man die Abwertung und den Hass von allem
Weiblichen, Frauen und weiblichen Personen.
[13] Incel ist die Selbstbezeichnung einer in den USA entstandenen Internet-
Subkultur von heterosexuellen Männern, die nach Eigenaussage unfreiwillig keinen
Geschlechtsverkehr bzw. keine romantische Beziehung haben und der Ideologie
einer hegemonialen Männlichkeit anhängen.
[14] Crenshaw zeigt dies mit einem Gerichtsfall auf: bei einer Massenentlassung
in einer GM-Fabrik wurden fast ausschliesslich Schwarze Frauen entlassen. Das
Gericht erachtete dies als weder rassistisch noch sexistisch, da Schwarze Männer
und weisse Frauen von den Entlassungen verschont blieben.
Quellen:
(1) Bundesamt für Statistik (BFS): Lohnstrukturerhebung LSE 2020, Bern 2022.
(3) Saadia Zahidi, WEF: Global Gender Gap Report 2021. Insight Report, Genf
2021.
(4) Eva Cyba: Patriarchat. Wandel und Aktualität, in: Handbuch Frauen- und
Geschlechterforschung. Theorie, Methode, Empirie 2., erweiterte und
aktualisierte Auflage, Ruth Becker (et al.), [Hrsg], Wiesbaden 2008, S. 17
(5) Sylvia Walby: Theorizing Patriarchy, Cambridge 1991, S. 20.
(7) Olympe de Gouges - Die Rechte der Frau, 1791.
(8) Elisabeth Joris: "Frauenbewegung", in: Historisches Lexikon der Schweiz
(HLS), Version vom 06.12.2022. Online: https://hls-dhs-
dss.ch/de/articles/016497/2022-12-06/, konsultiert am 18.04.2023.
(9) Elisabeth Joris: Stimmrecht, Kochtopf, gleiche Löhne, in: Widerspruch 37
(2018), S. 1.
(11) Brigitte Studer: "Frauenstreik (1991)", in: Historisches Lexikon der
Schweiz (HLS), Version vom 12.06.2019. Online: https://hls-dhs-
dss.ch/de/articles/058286/2019-06-12/, konsultiert am 24.04.2023.
(12) Walby, Sylvia (1990): Theorizing Patriarchy. New Jersey: Wiley-Blackwell.
(13) Madörin, Mascha: Neoliberalismus und die Reorganisation der Care-Arbeit.
Eine Forschungsskizze, in: Denknetz Jahrbuch 2007.
(14) Sarah Schilliger, Who Cares?: Care-Arbeit im neoliberalen
Geschlechterregime, in: Widerspruch Vol. 56, S. 100.
(15) Bea Schwager, Prekäres Arbeiten als Sans-Papiers im Privathaushalt, 2013,
S. 166.
(16) Sarah Schilliger, Who Cares?: Care-Arbeit im neoliberalen
Geschlechterregime, in: Widerspruch Vol. 56, S. 93.
(18) Eidgenössisches Departement des Innern: Gender Pension Gap in der Schweiz,
Bern 2015.
(22)Michael Vallerga, Eileen L. Zurbriggen, Hegemonic masculinities in the
‘Manosphere’: A thematic analysis of beliefs about men and women on The Red Pill
and Incel
(23) Urwin, J. (2017). Boys don't cry. Identität, Gefühl und Männlichkeit.
Hamburg: Edition Nautilus GmbH.
(24) Kimberlé W. Crenshaw: Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A
Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and
Antiracist Politics, in: Chicago Legal Forum (no 1 / 1989), Chicago 1989, S.
139-167.
(25) Eleonora Roldán Mendívil/ Bafta Sabo: Intersektionalität, Identität und
Marxismus, in: Die Diversität der Ausbeutung. Zur Kritik des herrschenden
Antirassismus, Berlin² (2022), S. 102.
(26) Ebd. 108-120.
(27) Ina Kerner: XX, S. 44.
(28) Andreas Tunger-Zanetti: Verhüllung. Die Burka-Debatte in der Schweiz,
Zürich 2021.
(29) Chandra Talpade Mohanty: Under Western Eyes. Feminist Scholarship and
Colonial Discourses, in: Chandra Talpade Mohanty (et al.) [Hrsg.]: Third World
Women and the Politics of Feminism, Bloomington, S. 51-80.
(30) Audre Lorde: Sister Outsider
Änderungsanträge
- A1-041-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-253-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elodie Wehrli (JSVR), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-290-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elodie Wehrli (JSVR), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-315-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elodie Wehrli (JSVR), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-326-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elodie Wehrli (JSVR), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-375-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elodie Wehrli (JSVR), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-423-DE (Lucien Schwed (JSG, Sofia Fisch (JUSO Bern), Julien Berthod (JSVR), Elisabetta Marchesini (JSG), Mélanie Rufi (JSG), Alexandre Bochatay (JSVR) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-524-3-DE (Lucien Schwed (JSG), Sofia Fisch (JUSO Bern), Elisabetta Marchesini (JSG), Alexandre Bochatay (JSVR), Mélanie Rufi (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- A1-639-DE (Sofia Fisch (JUSO Bern), Lucien Schwed (JSG), Elodie Wehrli (JSVR) Elisabetta Marchesini (JSG) Julien Berthod (JSVR) Alexandre Bochatay (JSVR) Mélanie Rufi (JSG) (beschlossen am: 10.06.2023), Eingereicht)
- PDE-024 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-050 (JUSO Kanton Bern (beschlossen am: 07.06.2023), Eingereicht)
- PDE-052 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-068-2 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-091 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-092 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-132 (JUSO Kanton ZH (beschlossen am: 05.06.2023), Eingereicht)
- PDE-177 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-311 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-358 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-359 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-366 (Pavel Novak (JUSO Aargau), Meli del Fabro (JUSO Aargau), Zurückgezogen)
- PDE-370 (Jana Kürzi (JUSO ZG), Kilian Teubner (JUSO OW), Levin Freudenthaler (JUSO ZG), Dario Bellwald (JUSO OW), Eingereicht)
- PDE-372-2 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-374 (Jana Kürzi (JUSO ZG), Kilian Teubner (JUSO OW), Levin Freudenthaler (JUSO ZG), Dario Bellwald (JUSO OW), Eingereicht)
- PDE-379 (Meli Del Fabro (JUSO AG), Pavel Novak (JUSO AG), Eingereicht)
- PDE-382 (Jana Kürzi (JUSO ZG), Kilian Teubner (JUSO OW), Levin Freudenthaler (JUSO ZG), Dario Bellwald (JUSO OW), Eingereicht)
- PDE-383 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-397 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-397-2 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-450-2 (Meli Del Fabro (JUSO AG), Pavel Novak (JUSO AG), Zurückgezogen)
- PDE-462 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Nadine Aeschlimann (JUSO Stadt Bern), Lucas Gijsbers (JUSO Stadt Bern), Mirta Grundisch (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-566 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-567 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-577 (JUSO Kanton ZH (beschlossen am: 05.06.2023), Eingereicht)
- PDE-615 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-623 (Nadine Aeschlimann (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)
- PDE-633 (JUSO Kanton ZH (beschlossen am: 05.06.2023), Eingereicht)
- PDE-633-2 (PoSa JUSO Baselland (beschlossen am: 03.06.2023), Eingereicht)
- PDE-668 (Jakub Walczak (JUSO Stadt Bern), Eingereicht)