Veranstaltung: | Delegiertenversammlung |
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Antragsteller*in: | Geschäftsleitung JUSO Schweiz (beschlossen am: 18.05.2022) |
Status: | Verschoben |
Eingereicht: | 20.05.2022, 14:43 |
P1: PDE: Ausweg aus der Klimakrise: Das gute Leben für alle!
Antragstext
Ausweg aus der Klimakrise: Das gute Leben für
alle!
Die Klimakrise ist das drängendste Problem unserer Zeit. Sie bedroht etliche
Lebensgrundlagen auf der Erde. Um zu verhindern, dass sie jene katastrophalen
Ausmasse annimmt, von welchen beim heutigen Verlauf auszugehen ist, oder gar zu
noch schlimmeren Konsequenzen führt, darf die Erwärmung des Erdklimas 1.5°C
im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht übersteigen. Die heutige Erhitzung
beträgt bereits 1.1°C.(1)
Die bürgerlich dominierte Schweizer Klimapolitik hat bisher nur absolut
unzureichende Massnahmen beschlossen. Wir als JUSO Schweiz wissen, dass wir den
Kapitalismus überwinden müssen, um die Klimakrise adäquat eindämmen zu
können. Wir stehen ein für eine soziale, griffige und konsequente Klimapolitik
und haben uns bereits in einer Vielzahl an Positionspapieren und Resolutionen
mit der Bewältigung der Klimakrise befasst. (2) 2016 wurde das Positionspapier
zum Thema verabschiedet und 2019 ein konkreter Massnahmenplan vorgestellt.
Den Kapitalismus überwinden zu wollen alleine reicht aber nicht, wir müssen
auch wissen wo wir hin wollen. Deshalb zeichnen wir mit diesem Papier eine
Vision, die die Richtung unserer Klimapolitik vorspuren soll.Eine Vision, wie
wir durch den Umsturz des bestehenden Systems und einen transformatorischen
gesellschaftlichen Wandel die Klimakrise abwenden und ein gutes Leben für alle
schaffen können.
Klimakrise und Kapitalismus
Die Klimakrise wird vom Kapitalismus verursacht. Um also eine ökologische
Gesellschaft zu schaffen, müssen wir global den Kapitalismus überwinden.
Doch wieso ist der Kapitalismus so klar als Ursache der Klimakrise festzulegen?
Der Kapitalismus definiert sich durch das Privateigentum der Produktionsmittel.
Historisch gesehen war der erste Schritt dazu die ursprüngliche Akkumulation
(3), die unter anderem durch die Privatisierung von gemeinsamen Feldern und
durch die Ausbeutung von Sklav*innen in Plantagen ermöglicht wurde. Das
kapitalistische Privateigentum hat sich auf der also auf der Aneignung und
Ausbeutung von Menschen und gemeinsamen natürlichen Ressourcen konstruiert.
Privateigentum der Produktionsmittel bedeutet, dass eine Handvoll
Kapitalist*innen die ganze Infrastruktur, die für Produktion von Waren und
Dienstleistungen notwendig ist, besitzt und somit allein über deren Einsatz
entscheidet - ohne auf die Bedürfnisse der 99% und die Kapazitäten des
Planeten achten zu müssen. Doch das bedeutet nicht, dass die Kapitalist*innen
frei sein zu machen was sie wollen: sie unterliegen den Zwängen der
gegenseitigen Konkurrenz. Um mit anderen Kapitalist*innen mithalten zu können,
müssen sie Kapital akkumulieren. Aus diesem Grund basiert das ganze System auf
kurzfristiger Profitmaximierung und Wachstumszwang.
Die kurzfristige Profitmaximierung ermöglicht den Kapitalist*innen, so viel
Kapital wie möglich zu akkumulieren. Um diese Profite zu maximieren, werden
nicht nur die Arbeiter*innen sondern auch die Umwelt ausgebeutet.
Wissenschaftlich gesehen sind Treibhausgasemissionen die Ursache der Klimakrise.
Diese stammen in grossen Teilen aus fossilen Energieträgern. Und genau da liegt
das Problem: Ohne fossile Energien gibt es keinen billigen Transport, keine
tiefe Produktionskosten und deshalb keinen maximalen Profit. Und obwohl heute
gewisse erneuerbare Energieträger billigere Investitionen wären, haben die
Kapitalist*innen ein interessen bis den fossilen Energieträger zu bleiben in
welche sie bereits investiert haben, um sie zu rentabilisieren. Dazu kommt, dass
diese Profitmaximierung eben kurzfristig passiert und somit das genaue Gegenteil
der langfristigen Perspektive verkörpert, die notwendig ist, um die planetaren
Grenzen zu respektieren. Kurz gefasst: Was nicht hier und jetzt profitabel ist
fällt weg – die verheerenden Folgen für unseren Planeten werden dabei ausser
Acht gelassen.
Während ein Teil des Profits direkt in die Tasche der Kapitalist*innen geht,
wird einen anderen Teil in ihre Unternehmen investiert, um sie zu modernisieren
und zu vergrössern, damit mehr und billiger produziert werden kann: Dieser
Prozess wird Kapitalakkumulation genannt. Wenn die Kapitalist*innen nicht so
agieren, werden sie von der Konkurrenz überrollt. Das schafft einen
Teufelskreis, in dem die Produktion unendlich wächst und die
Treibhausgasemissionen unendlich steigen, und das in einer Welt mit
beschränkten Ressourcen. Aus der Kapitalakkumulation ergibt sich also einen
Wachstumszwang. Diese immer grössere Warenmasse muss dann auch noch konsumiert
werden, und dies wird u.A. durch Werbung und geplante Obsoleszenz(4)
ermöglicht. Überkonsum ist also eine direkte Folge der kapitalistischen
Überproduktion.
Von diesem zerstörerischen System profitiert das reichste Prozent massiv,
während die restlichen 99% darunter leiden. Besonders davon betroffen sind PoC
(5), FLINTA*-Personen (6), die Arbeiter*innen im Globalen Süden, sowie die
ärmsten Menschen im Globalen Norden. Diese Menschen leiden mehrfach unter
diesem zerstörerischen System. Auf der einen Seite werden sie im Prozess, der
die Klimakrise verursacht, durch das Zusammenspiel von Kapitalismus und anderen
Unterdrückungssystemen ausgebeutet. Auf der anderen Seite sind sie am
stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen. Sie werden massiv von
Naturkatastrophen bedroht, leben in der in einer verschmutzten Umwelt und
können sich aufgrund ihrer ökonomischen Vulnerabilität am schwierigsten
anpassen.
Für eine soziale Klimapolitik
Die Antwort der bürgerlich geprägten Schweizer Politik auf diese unhaltbaren
Zustände lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Eigenverantwortung. Die
Klimakrise wird als individuelles statt systemisches Problem dargestellt. Das
hat kapitalistisches Kalkül: Grosse Treibhausgas-Emittent*innen werden so
versteckt und der Fehler wird bei Einzelpersonen gesucht, die sich dann
gegenseitig beschuldigen. Die grossen Hebel aber das sind die Grosskonzerne und
das reichste Prozent. Individuelle Verantwortung wird in den Vordergrund
gestellt, ohne die wahren Verursacher*innen der Klimakrise anzuprangern. Das
reichste Prozent, Grosskonzerne und der Schweizer Finanzplatz werden in Schutz
genommen. Aktivist*innen, die auf diese Problematiken aufmerksam machen und
dagegen vorgehen, erfahren weltweit Repressionen.
Neue Gesetze in der Schwiez implementieren nur finanzielle Anreize aber keine
Verbote. Höhere Preise für Benzin, Ölheizungen usw. sind oft die Folge. Diese
Massnahmen sind alles andere als effektiv und treffen einkommensschwache
Personen besonders schwer. Das gescheiterte CO2-Gesetz versinnbildlicht diese
Entwicklung. Es wurde in der Abstimmung im Sommer 2021 abgelehnt. Als einzige
vermeintliche Errungenschaft der bürgerlichen Schweizer Klimapolitik war es
eine ungerechte und ineffektive Vorlage, welche auf Eigenverantwortung der 99%
und finanzielle Anreize gesetzt hätte, ohne die eigentlichen Verursacher*innen
genügend zur Rechenschaft zu ziehen. Es zeigt sich also klar; die Bürgerlichen
versagen auf voller Linie mit ihrer «Klimapolitik».
Als weitere Merkmale der bürgerlichen Klimapolitik können wir den Fokus auf
den Konsum, Marktmechanismen und technologische Lösungen nennen. Die
Fokussierung auf den Konsum ist eine direkte Folge des
Eigenverantwortungsmärchens. Die bürgerliche Klimapolitik zielt darauf ab, das
Konsumverhalten der 99% zu verändern statt die Art wie und was produziert wird.
Jedoch haben wir gesehen, dass Überkonsum nur eine Folge von Überproduktion
ist. Des weiteren spielen Marktmechanismen, wie handelbare Emissionsrechte, eine
wichtige Rolle in der bürgerlichen Klimapolitik. Die Schweiz setzt sich bei
internationalen Klimaverhandlungen besonders stark für diese Mechanismen ein,
um somit vor allem Emissionsreduktionen in anderen Staaten zu finanzieren - die
zum Teil so oder so geschehen wären - statt sich um inländische Emissionen zu
kümmern. Diese Marktmechanismen sind nicht nur ein ungenügendes Mittel für
eine effiziente Klimapolitik sondern haben sogar in den ersten Jahren ihrer
Anwendung eine kontraproduktive Rolle gespielt, indem sie den Ausstieg aus den
fossilen Energien gebremst haben. Schliesslich charakterisiert sich die aktuelle
Klimapolitik durch den Glauben, dass Technologien und Innovation die Klimakrise
lösen können. Klar sind Technologien wichtig, aber zu glauben, dass sie uns
alleine retten könnten, ohne dass das Wirtschaftssystem geändert werden
würde, ist eine gefährliche Illusion.
Wir brauchen also dringend eine Alternative zu dieser bürgerlichen
Klimapolitik: eine soziale Klimapolitik. Statt die Verantwortung für die
Klimakrise bei den Individuen zu sehen, zeigen wir dass der Kapitalismus die
Ursache der Klimakrise ist. Es sind nicht die 99%, sondern die Leute, die am
meisten von diesem zerstörerischen System profitieren - also die Überreichen -
die für die Bewältigung der Klimakrise und ihrer Folgen zahlen müssen. Auch
Grosskonzerne und der Finanzplatz müssen endlich in Verantwortung genommen
werden - durch Verbote, Besteuerung und demokratische Kontrolle. Unsere
Klimapolitik will nicht das Konsumverhalten der 99% ändern, sondern die Art und
Weise der Produktion. Wir brauchen deshalb einen ökosozialen Umbau der
Produktionssphäre. In diesem Umbau soll niemanden auf der Strecke bleiben, die
soziale Dimension unserer Klimapolitik ist absolut zentral. Schliesslich ist
unsere Klimapolitik internationalistisch und klimagerecht. So müssen die 99% im
Globalen Süden so gut wie möglich vor den Folgen der Klimakrise geschützt und
in der Anpassung an dieser Lage unterstützt werden.
Unsere Vision: das Gute Leben für alle!
Wir sehen: Der Kapitalismus impliziert Krisen und das Fundament für den Profit
weniger bietet die Ausbeutung der 99%. Den Aufbruch in eine Zukunft, in der das
gute Leben für alle garantiert ist, müssen wir jetzt wagen. Massnahmenpläne
mit Schritten für eine soziale und radikal antikapitalistische Klimapolitik
gibt es bereits zahlreiche, nun gilt es diese umzusetzen und dafür holen wir
unser Geld zurück! Damit wir der Gesellschaft aufzeigen können, für was es zu
kämpfen gilt, brauchen und haben wir klare Ideen; Unsere ökosozialistische
Gesellschaftsvision beruht auf drei Säulen: demokratisch ökologische Planung,
Postwachstum und Care-Ökonomie.
Demokratisch ökologische Planung
Der wirtschaftliche Umbau kann nicht isoliert passieren, sondern geht zwingend
mit einer radikalen Umwandlung jeglicher Gesellschaftsstrukturen einher. Ziel
soll eine demokratische, ökologische Planwirtschaft sein, nur so kann das Wohl
der Gesamtgesellschaft ins Zentrum gestellt werden. Durch eine Verwaltung und
Planung auf mehreren Ebenen, in der die Betroffenen unter Berücksichtigung der
Bedürfnisse von Mensch und der Kapazitäten der Umwelt selber über die
Produktion und die dazu benötigten Mittel demokratisch bestimmen, kann
sichergestellt werden, dass alle kriegen was sie brauchen, aber niemand und
nichts ausgebeutet wird.
Postwachstum
Unsere Gesellschaft muss zwingend vom kapitalistischen Zwang nach Wachstum
befreit werden. Wir streben nach einer Postwachstumsgesellschaft,
welche eine Entmaterialisierung der Wirtschaft durch die gesteuerte Schrumpfung
von Wirtschaftstätigkeiten mit konkretem Materialverbrauch impliziert. (7)
Damit soll die Überproduktion sowie der Überkonsum eingedämmt und dann
überwunden werden. Wachstum kann und muss sich nur auf die Qualität beziehen,
statt wie bisher auf die Quantität. Es soll besser und bedürfnisorientiert,
statt einfach immer mehr produziert werden. Damit die Menschen mehr Zeit für
ein gute Leben haben, soll eine massive Arbeitszeitverkürzung umgesetzt werden.
So bleibt mehr Zeit für gesellschaftliche Tätigkeiten und Familie. Ausserdem
wird dieser Schritt zentral zur Aufhebung des Prekariats beitragen können.
Care-Ökonomie
In einer ökosozialistischen Gesellschaft spielt Care-Arbeit eine zentrale
Rolle, nur so kann das Zusammenleben in einer Gesellschaft den menschlichen
Bedürfnissen gerecht werden. Die Care-Bereiche sollen kollektiviert und
demokratisch organisiert sein.(8) Die Beanspruchung von Care-Dienstleistungen
stellen ein Grundbedürfnis jedes Menschen dar, was Care-Arbeit zu einem
wichtigen Grundstein jeder Form des Zusammenlebens macht.(9) Die dezentrale und
staatliche Organisation von Care-Strukturen innerhalb von Gemeinschaften ist
daher unumgänglich und zentral für eine bedürfnisorientierte und dezentrale
Selbstverwaltung.
Eine solidarische Gesellschaft, in der Care-Arbeit gerecht verteilt ist, bildet
Krisenresistenz auf. Durch ein starkes soziales Netz ist sie in Katastrophen und
Krisen resilienter - eine Eigenschaft, die gerade mit zunehmenden
Extremwetterereignissen in der Klimakrise dringend nötig ist.
Auf zur ökosozialistischen Wende!
Wenn wir nicht nur das Überleben, sondern ein gutes Leben für alle
gewährleisten wollen, muss das Steuer jetzt umgerissen werden. Die Überwindung
des Kapitalismus ist unumgänglich und so dringend wie nie zuvor. Wir glauben
nicht ans Märchen vom grünen Wachstum, sondern stehen ein für eine radikal
soziale und antikapitalistische Klimapolitik. Die Verursacher*innen der Krise
hätten gestern schon zur Kasse gebeten werden sollen, heute aber ziehen wir sie
konsequent in Verantwortung, denn es ist an der Zeit, diesem zerstörerischen
System ein Ende zu setzen! Eine andere Welt ist möglich - auf zum
Ökosozialismus!
Fussnoten
(1) Masson-Delmotte, Valérie et al. : Global Warming of 1.5°C. Summary for
policy makers (im Rahmen des IPCC Berichtes), o.O 2022
(3) Die ursprüngliche Akkumulation bezeichnet den Prozess (ca. ab dem 15.
Jahrhundert), der das Einrichten der kapitalistischen Produktionsverhältnissen
und der Kapitalakkumulation ermöglicht hat.
(4) Geplante Obsoleszenz bezeichnet die durch ein Unternehmen bewusste
Einschränkung der Lebensdauer von Produkten.
(5) People of Color
(6) Frauen, Lesben, inter, nonbinäre, trans und agender Menschen
(7) Climatestrike Switzerland: Klimaaktionsplan. Kurzfassung, Zürich 2021, S.
30.
(8) Winker, Gabriele: Care-Revolution als feministisch-marxistische
Transformationsperspektiv, in: das Argument, XX 2015, S. 538.
(9) Madörin, Mascha: Care Ökonomie. Eine Herausforderung für die
Wirtschaftswissenschaften, in: Caglar, Gülay (Hrsg.): Gender and Economics.
Feministische Kritik der politischen Ökonomie, Wiesbaden 2010, S.
90.